Wui küert platt

Wui kürt plattSonderreihe in unseren »Beiträgen zur Ortsgeschichte« mit Übertragung historischer Tonbandaufnahmen des ehemaligen Bürgermeisters Wilhelm Obernolte und Aufzeichnungen vieler Treffen des plattdeutschen Gesprächskreises „Wui küert Platt“ zu ganz unterschiedlichen Themen.

2014-03 - 32 S. - Wilhelm Obernolte erzählt: Exter in den 1960er-Jahren

W01: 2014-03 – 32 Seiten
Wilhelm Obernolte erzählt: Exter in den 1960er-Jahren

2014-11 - 36 S. - Ernte/Schlachten/Nachkriegszeit

W02: 2014-11 – 36 Seiten
Ernte/Schlachten/Nachkriegszeit

2015-05 - 24 S. - Familienfeste - Hausmittelchen

W03: 2015-05 – 24 Seiten
Familienfeste – Hausmittelchen

2015-11 - 20 S. - Gereimtes und Ungereimtes

W04: 2015-11 – 20 Seiten
Gereimtes und Ungereimtes

 In den Ausgaben der Reihe „GW-Splitter“ finden Sie weitere plattdeutsche Texte.
Alles steht unter „Downloads“ bereit zum Nachlesen. Viel Vergnügen!


 

Van die Fuierwehr un annern Luün
Von der Feuerwehr und anderen Leuten
De Fuierwehr hadde teoeust eune handbedriebene Spritzen, de mosse up un dahl pumpet wern, dormet Druck up dat Wader kamm. Eune van die Fuierwehrluüe hadde sick in suiner Drullakenbüxen up de Hoffmuiern stellt, ümme noar denn Fuier teo kuiken. Met eunem Strahl was heu van de Muiern runnerhalt un fleog int Gräs. No eun paar Joahrs gaff dat ne nuigen Spritzen met Motor. Düsse Nuiheut was jo ganz geot, ober ümme Luie natt teo spritzen hätt de äolen Spritzen iutreuket. Die Feuerwehr hatte zuerst nur eine handbetriebene Spritze, die musste auf und nieder gepumpt werden um sie unter Druck zu setzen. Bei einem Brand hatte sich einer der Feuerwehrleute in seiner Sackleinenhose auf die Hofmauer gestellt, um nach dem Feuer zu sehen. Mit einem Strahl wurde er von der Hofmauer geholt und fiel ins Gras. Ein paar Jahre später gab es eine neue motorbetriebene Spritze. Diese Neuerung war ja ganz gut, aber um Leute nass zu spritzen hat die alte Spritze ausgereicht.

 


Plattduitsk in Vläode

Anmerkungen aus der Ausgabe W01 von Richard August Eversmeier (+)

Hier geht es ums Plattdeutsche. In vergangenen Zeiten war es, zumindest auf den Dörfern, d i e Sprache in den Familien. Die Älteren sprachen sie, bis auf den Umgang mit Fremden, ausschließlich. Alle Jüngeren verstanden sie; und manche von ihnen wuchsen dann in den aktiven Sprachgebrauch hinein. Das war auch noch 1967, also vor 40 Jahren, so. Deshalb wird auch in 2009 Plattdeutsch verstanden und vereinzelt noch gesprochen: bei Theateraufführungen in Platt und in Plattdeutsch-Gesprächskreisen, beim Lesen einer Zeitungskolumne, ganz selten noch in der eigenen Familie. Im »Bedarfsfalle« kann jedoch von den jetzt Älteren der über lange Zeiten schlummernde Sprachschatz schnell wieder belebt werden. Hiermit soll nun ein historisches Dokument unseres hiesigen Plattdeutschen der interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und somit auch erhalten bleiben.

Im Rahmen einer bundesweiten Aktion wurde 1966/67 eine Bestandsaufnahme der hiesigen Mundart in ihren regionalen Facetten gemacht. Und so wurde im Kreis Herford 180 Plattdeutschsprechern und -sprecherinnen Gehör geschenkt. Der damalige Kreisheimatpfleger Dr. Stork war die treibende Kraft.

Die Auswahl der Sprecher/innen für Vlotho oblag dem Ortsheimatpfleger von Valdorf, dem Amtsrentmeister (heute würden wir ihn Kämmerer nennen) Eduard Bicker aus Steinbründorf. Er suchte die Personen aus und bereitete mit ihnen die Tonbandaufnahme vor. So konnte er bei der Aufnahme selbst, wenn’s beim Erzählen einmal stockte, helfend eingreifen. Aus Exter erzählten »in Platt«:

Wilhelm Obernolte Solterwisch Nr. 11 und
Friedrich Hempelmann Solterwisch Nr.32
(Es liegen weitere O-Ton-Dokumente aus den anderen heutigen Stadtteilen in Vlotho vor)

Lange Jahre geschah mit den Aufnahmen nichts. Erst um 2001, nach dem Tode von Dr. Stork, spürte man die in Vergessenheit geratenen Ton- und Text- Dokumente wieder auf und fertigte Kopien an. Auf Kreisebene beschäftigte sich schnell eine Arbeitsgruppe um Gerhard Heining (Spenge) damit. Als ich anläßlich der Regionalkonferenz des Kreisheimatvereins auf Gut Bustedt im November 2003 davon Kenntnis bekam, gelang es mir, durch freundschaftliche Kontakte Tonbandkopien der Vlothoer Erzähler zu erhalten. Im Besitz derselben war mir meine Absicht schnell klar: Die Aufnahmen mit dazugehörigen Texten gehörten zunächst einmal in die Familien der Erzähler zurück. Und dann sollten die Tonaufnahmen als historische Sprachdokumente auch für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich sein. Doch bis zu diesem Ziel hat es fünf Jahre gedauert, weil ich erst dann die geeigneten technischen Möglichkeiten hatte.

Inzwischen war die Arbeitsgruppe um Gerhard Heining sehr fleißig gewesen und hatte alle 180 Aufnahmen aus dem Kreisgebiet ins Hochdeutsche transkribiert (umgeschrieben). Mit Unterstützung des Institut der deutschen Sprache in Mannheim (IDS) entstand dann Ende 2007 die Audio-Edition „Os Platt no Meode was“. Darin sind auf drei CDs 14 Plattdeutsch-Beiträge , mindestens einer aus jeder Gemeinde ( Verlag für Regionalgeschichte, ISBN 978-3-89534-674-3) enthalten. Als ich Kontakte zu acht Nachkommen der Erzähler aufnahm, stellte ich fest, dass nur noch zwei von ihnen etwas vom Plattdeutsch-Dokument ihres Vaters oder Großvaters wussten. Wenn sonst keine Tonbanddokumente von damals vorliegen, war die Freude über den Erhalt der Aufnahme verständlicherweise besonders groß.

Vorgegeben war den Sprechern damals eine Textform von 40 Sätzen in Hochdeutsch. Diese wurden bereits 1880 vereinbart als Vergleichssätze zur leichteren Ermittlung der Unterschiede zwischen Mundarten. Nach seinem Initiator sind sie als Wenker-Sätze bekannt. Nach Lesen und kurzem Überlegen sollten die Sätze in Platt gesprochen werden. Und anschließend wurden noch die Zahlen von 1 – 20 und die Wochentage in Plattdeutsch gesprochen. Dieses Ordnungsprinzip der Sprachdokumentation „Erzählung – Zahlen 1 – 20, Wochentage und Wenker-Sätze“ wurde 1967 nach den mir zugegangenen Kopien nur einmal, bei Wilhelm Obernolte, angewandt.

Uffelner Plattdeutsch-Beiträge konnten nicht dabei sein: denn Uffeln gehört erst seit dem 1. Januar 1973 zur Stadt Vlotho, und damit zum Kreis Herford. Bei einer Publikation im Jahre 2009 ist es mir ein selbstverständliches Anliegen gewesen, das Platt dieses Ortsteils mit hineinzunehmen. Es ist mir gelungen, zwei Frauen für unterschiedliche Beiträge zu finden. Das macht die Sache in heutiger Zeit erst rund und bringt zusätzlich zum einen die größeren Unterschiede zwischen Ravensbergischem und Mindenschem Platt zu Gehör; zum anderen hören die Platt-Kundigen unter uns Veränderungen nach 40 Jahren heraus.

Abschließend stellt sich für mich das Platt in Vläode so dar: In allen fünf ehemaligen Bauerschaften von Exter (mit Solterwisch), Valdorf und auch in Alt-Vlotho wurde eine Sprache gesprochen, mit dem gleichen Sprachduktus. Nach seiner räumlichen Mitte möchte ich es das „Valleropske Platt“ nennen. Das „Iuffelsche Platt“ ist dem Niedersächsisch-Plattdeutschen näher, wie es im Mindener und Rintelner Raum gesprochen wird. Es hat auch mehr Hochdeutsch-Anteile. Sprachgrenzen waren nie scharfe Linien, sondern es kam zu Angleichungen. Und das zeigt sich beim Alt-Vlothoer Anlaut-S, welches nämlich stumpf bzw. stimmhaft wie in Uffeln gesprochen wird.

Plattdeutsch sprachen die Menschen; sie schrieben in Hochdeutsch. Eine plattdeutsche Schriftsprache hat sich nicht entwickeln können. Dieser Tatbestand und die zahlreichen Umlaute, Doppelvokale und Kehllaute führen zwangsläufig zu fehlerhaftem Aufschreiben. Um das gering zu halten, müsste in reiner Lautschrift geschrieben werden, wie das beim Fremdsprachenlernen angewendet wird. Hier scheitert das jedoch an den Tastaturen, bei denen Lautschriftzeichen nicht vorhanden sind. Ich schreibe das Plattdeutsch mit Elementen der Lautschrift auf, ausschließlich unser Alphabet benutzend. Dadurch sollte das Geschriebene bis auf wenige Ausnahmen lautgetreu gelesen werden können. Weil im Alltag für Interessierte heute fast keine Möglichkeiten bestehen, Platt zu hören, für sich nachzusprechen und dann selbst frei zu sprechen, ist das lautgetreu Aufgeschriebene eine weitere Möglichkeit, sich die Sprache anzueignen. Es hat nur übergangsweise eine Hilfsfunktion für die eigenen Sprechversuche, ist nicht Ziel an sich.

Alles Plattdeutsche wurde von mir ins Hochdeutsche transkribiert. Um Ungenauigkeiten zu vermeiden, habe ich mir nicht die beim Institut der Deutschen Sprache (IDS) in Mannheim vorhandenen Texte besorgt, sondern im Zweifelsfalle nach Rücksprache mit den Nachkommen umgeschrieben. dass einige Texte auch in Platt aufgeschrieben sind, hängt mit der Entstehungsgeschichte dieses Projektes zusammen. Auf Vollständigkeit wurde diesbezüglich verzichtet, weil genügend Übungstexte vorliegen.

Dank zu sagen habe ich den Nachfahren der Sprecher, die mir alle Ihre Zustimmung zu einer Veröffentlichung gaben. Und ganz besonders danke ich den beiden Uffelnerinnen Anni Herzog und Minna Weber für ihre aktuellen Beiträge. Nachdem seit Jahresende 2008 die einzelnen Dokumente als CD in die Familien zurück geführt worden sind, wurde dieses Gesamtdokument mit den acht historischen und zwei aktuellen Beiträgen einschließlich Textbuch der Stadtbücherei und unserem Stadtarchiv übergeben.

Red. Anm.: Für die vorliegende Veröffentlichung wurden die Ausführungen von Altbürgermeister Wilhelm Obernolte ausgewählt, weil sie für uns Exteraner besonders interessant sind. Richard A. Eversmeier hat für Interessierte im Stadtarchiv und in der Stadbücherei der Stadt Vlotho komplette gedruckte Zusammenstellungen und Tonträger (CDs) zur Verfügung gestellt.