Die Sieben Quellen: Teufelstränen? Teufelsschweiß?

Die Sieben Quellen: Teufelstränen? Teufelsschweiß?(aus: L16 – Spurensuche 16)
Text: Wilfried Sieber – Bilderserie Linnenbeeke: H. P. Märgner
Fließgewässer im Lageplan (v.o.n.u.): Weser, in den Strom mündender
Forellenbach, Güstenbach (links) und Linnenbeeke (rechts)

„Dat es ja eile Wader“ So ganz sicher ist man sich hierzulande nicht, was da in siebenfacher Ausführung aus dem Erdreich quillt; sind es Satans Tränen oder ist es sein Schweiß? Übereinstimmung besteht darin, dass er hier und nirgendwo anders in der Unterwelt liegen muss, mit einem gewaltigen Berg über sich, das beweisen frühere Berichte über Ächzen und Stöhnen aus der Tiefe. Was nachempfunden werden kann, denn mit 342 Metern über NN ist der Bonstapel höchste Erhebung in Vlotho und damit auch im Kreis Herford.

(um 1950) Blick zum BonstapelBild (um 1950) Blick zum Bonstapel im Hintergrund – auffällig sind die beiden Baumkronen, die über die Gipfelhöhe von 342 m hinaus ragen.

Die Geschichte von seiner Entstehung erzählt man sich so oder ähnlich, wie sie Annegret Rögge von der Geschichtswerkstatt anlässlich unserer Spurensuche XII im Jahre 2004 aufschrieb und die weniger mitleiderregende Version vorzog: „Zu seiner Entstehung erzählt man, dass der Teufel sich einen Berg aus der Gegend von Kassel griff, um damit das Loch in der Porta zu verstopfen und alle Christenmenschen in Ravensberg mit dem aufgestauten Weserwasser zu ersäufen. Der Priester der neu gebauten Kirche sah das Unheil nahen, holte schnell das Kreuz aus der Kirche und hielt es dem Teufel entgegen. Als der Teufel das sah, fiel er gebannt zu Boden und der mitgeschleppte Berg türmte sich über ihm auf.
Nun versucht er aber immer noch aus seinem Kerker auszubrechen und stemmt gegen den Berg an. Dabei muss er so schwitzen, dass das Wasser aus sieben Quellen hervorsprudelt. Wenn es donnert, sagen die Leute, dass das der Teufel unter dem Bonstapel sei, der zornig rumort.“
 Was die salzigen Tränen des Unaussprechlichen angeht, als sie ihm ob der beispiellosen Anstrengung beim Transport aus den Augen traten, gibt es dafür einen unwiderlegbaren Beweis. Viele sind zu Stein geworden und liegen längs der Linnenbeeke.

Zu jenen, die mehr an die Tränen Satans als Quelle glauben, gehörte wohl auch der junge Mann, der auf einem Schulausflug an einem seiner zuvor in den Quellteich gesteckten Finger leckte und in schönstem Uffelner Platt enttäuscht murmelte: „Dat es ja eile Wader. (Das ist ja pures Wasser)“

Die LinnenbeekeDie LinnenbeekeDie Linnenbeeke

Ein ziemliches Durcheinander … Prosaische Menschen behaupten phantasielos, dass es sich bei den sieben Quellen um den Ursprung der Linnenbeeke handelt, die aus heutiger Vlothoer Sicht von hier aus ihren Weg nach Valdorf findet und dann als Forellenbach weiterfließt bis zur Mündung in die Weser.

In früheren Beschreibungen wird die alte „Vlothe“, die Namensgeberin der Stadt Vlotho, durchgängig vom Bonstapel bis zur Weser als „Linnenbeeke“ bezeichnet. Karl Grossmann, Vlothos und Valdorfs Chronist der Neuzeit, schreibt zwar einmal vom Forellenbach (1971: „Geschichte der Stadt Vlotho“) und ein andermal von der Linnenbeeke (1955: „950 Jahre Valdorf“), meint aber in beiden Fällen das am Bonstapel entspringende und in die Weser mündende Gewässer. In der Stadtgeschichte zu Vlotho bemerkt er ausdrücklich, dass die Linnenbeeke eine größere Menge Wasser führe als der hinzukommende Güstenbach, was eine Voraussetzung für die Fortschreibung des Quellbach-Namens sein sollte. Aber es ist so selten nicht, dass anders verfahren wird und der „kleinere“ Bach dem Fortlauf seinen Namen gibt.

Die LinnenbeekeDie LinnenbeekeDie Linnenbeeke

  
Das wohl älteste vollständig erhaltene Kataster unserer Gegend, das Urbar der Grafschaft Ravensberg aus dem Jahre 1556, nennt den Bach in diesem Verlauf „Sudmersenbeeke“. In Vlotho sprach man von ihr als der Angelbeeke und Mühlenbach hieß das Gewässer auch einmal, man sagt aber, dass sich dieser Name auf die Strecke bezog, die von Mühlen gesäumt war, an denen es in Vlotho nicht mangelte.

Was die Kombination „Forellenbach-Linnenbeeke“ angeht, ist ein drittes Fließgewässer im Gespräch: Der in Steinbrüntorf entspringende Güstenbach setzt seinen Weg weiter fort durch Pehlen (Lippe), Wehrendorf und Hollwiesen und trifft in Valdorf auf Forellenbach/Linnenbeeke; gemeinsam setzen sie ihren Weg fort zur Weser.

In mancher offiziellen Karte ist verzeichnet, dass in Steinbründorf, nahe der lippischen Grenze, der Forellenbach entspränge und in Valdorf um die Linnenbeeke bereichert wird. Auf seinem Weg durchquert der junge Bach auf wenige hundert Meter lippisches Gebiet und darf somit für frühere Zeiten mit Recht als „internationales Gewässer“ bezeichnet werden.

In den Angaben zum Flächenmanagement der Bezirksregierung in Detmold wird dieser Wasserlauf als Güstenbach bezeichnet, mit dem Hinweis, dass es sich um den Oberlauf des Forellenbaches handele. Die Gelehrten sind sich auch in diesem Falle nicht einig, oder: einmal vielleicht falsch aufgeschrieben, bedeutet häufig auch so „fortgeschrieben“.

Die LinnenbeekeDie LinnenbeekeDie Linnenbeeke

  
Woanders ist es auch nicht anders Was mag geologisch gesehen richtig sein? Dass Ober- und Unterlauf eines Fließgewässers unterschiedlich benannt werden, ist so selten nicht. Das populärste Beispiel ist die Fortsetzung der thüringischen Werra als Weser, nachdem sie sich bei Hannoversch Münden mit der Fulda vereinigt, diese Namensgebung ist seit schon fast tausend Jahren üblich: „Die Werra ist der eigentliche Quellfluss der Weser, denn Werra und Weser haben nicht nur die nordwestliche Hauptrichtung gemeinsam, sondern trugen bis zum Jahre 1014 auch denselben Namen. Bei Tacitus „Visurigis“, bei Karl dem Großen „Wisera“ genant, wird unter Kaiser Heinrich II. für den Thüringisch-hessischen Teil durch Sprachverschiebung „Werraha“, später „Wirra“ bzw. „Werra“, heißt es.

Die meisten Vlothoer sehen die überlieferte Gewässerkombination aus Linnenbeeke und Forellenbach als richtig an und so bleibt zumindest in der Region zusätzlich auch der Güstenbach als „Güstenbach“ im Gespräch, er hat es verdient; auf manchen Karten wird er „Forellenbach“ genannt, aber auch „Mühlenbach“ (und für einen selbständigen Bach sind das keine besonders phantasievollen Namen).