… dass der Mensch was lernen muss (Schulisches)

... dass der Mensch was lernen muss (Schulisches)(aus: V09 – Wo wir leben – Wie wir leben)

„Als Herr Penzel die erste Zeit bei uns war, kam er mit dem Gedanken, die Geschichte vom Winterberg in einem Buch zusammenzufassen. Jeder bekam ein Thema, worüber er zu schreiben hatte …“
Mit diesen Worten beschrieb ein Schüler der Volksschule Valdorf-Ost den Beginn eines Projektes, dem wir heute, mehr als fünfzig Jahre später, ein einmaliges Zeitdokument verdanken: Die Kinder in der Oberklasse der Schule auf dem Winterberg beschreiben ihre Welt. Eine Welt, die noch unter den Nachwirkungen des 1945 zu Ende gegangenen Zweiten Weltkrieges stand. – Aus dieser Sammlung von hunderten von Aufsätzen stellten wir am 21. August 2005 anlässlich der 950-Jahr-Feier des Vlothoer Ortsteils Valdorf eine Auswahl vor.

In einem der Kapitel schildern die Verfasser den „Schultag unserer Großeltern“, „Schulverhältnisse“ auf dem Vlothoer Winterberg und „Unseren Schulweg“ um 1950, als es hier noch keine Schulbusse gab sondern vorwiegend mehr oder minder begehbare Wald- und Wiesenwege.

Schultag unserer Großeltern

Valdorfs alte Schule (erbaut 1816 und 1851) 1926 Fotograf Rybach, Bad OeynhausenBild: Valdorfs alte Schule (erbaut 1816 und 1851) 1926 Fotograf Rybach, Bad Oeynhausen

Ein Schultag sah früher noch ganz anders aus als jetzt. Die Hauptbücher waren Bibel und Gesangbuch. Sie schrieben nicht in ein Heft, sondern bis zum letzten Schuljahr schrieben sie auf Schiefertafeln. Die Tafel mussten sie des Montags vorzeigen. War der Rahmen nicht ganz sauber, so wurde er noch einmal gescheuert. Auch die Ordnung, wie auch der Respekt, waren noch viel strenger. Sie durften sich nicht einmal umdrehen. Die Hände mussten sie gefaltet auf die Bände legen. Wurde diese ihre Pflicht nicht erfüllt, so kam der Rohrstock zu Hilfe. Sie können sich wohl an keinen Schultag erinnern, wo nicht der Lehrer diesen Stock bei sich trug.

Ihre Hauptfächer waren Rechnen, Schreiben und Lesen. Der Unterricht war aber noch nicht so lang, denn sie hatten zu wenig Klassen und Lehrer. Auch wurde Rücksicht genommen, weil die Kinder da mehr arbeiten mussten. Den Kindern wurde in dieser Zeit aber auch viel gelehrt. Denn die Lehrer sprachen nur von dem vorgenommenen Thema. War einer nicht bei der Sache, so teilte er Prügel aus. Aber nicht nur auf den Rücken, sondern sie mussten ihre Hände hinhalten. Im Jahre machten sie etwa zwei Vergnügungsfahrten mit dem Leiterwagen. Dieser wie auch die Pferde wurden mit Eichenlaub geschmückt. Auf dem Wagen waren zwei Bretter, so sie sich niederließen. Von Salzuflen bis zum Hermannsdenkmal kostete es umgerechnet etwa 1,20 DM.

Unsere Großeltern brauchten um diese Zeit nur sieben Jahre die Volksschule zu besuchen. Im Durchschnitt hatten sie in den untersten Klassen jeden Tag zwei Stunden Schule. In der Großenschule, wie sie die Oberklasse nannten, war das höchste vier Stunden. Wir nennen es Unter- und Oberklasse und sie: Große und Kleine Schule.

Im Winter begann die Große Schule um acht und im Sommer, wie auch für uns um sieben Uhr. Volkslieder, wie wir sie lernen, kannten sie nicht, denn die Musikstunde fehlte ja auch. Aber in der Religionsstunde sangen sie dafür die vielen auswendig gelernten Choräle.

Die Alten sind noch immer stolz, dass ihr Lehrer Schröder eine Stimmgabel hatte, denn er war sehr musikalisch, wie sie heute noch erzählen. Was uns seltsam erscheint, ist, dass zweimal im Jahr Konfirmation war und dann auch selbstverständlich im Frühjahr und im Herbst entlassen wurde.

Schulverhältnisse

Volksschule Valdorf-Ost auf dem Winterberg (nach 1954)Bild: Volksschule Valdorf-Ost auf dem Winterberg (nach 1954)

Bis zum ersten Januar des Jahres 1892 waren alle Winterberger Kinder, ob groß oder klein, bis zum dreizehnten Lebensjahr gezwungen, in die Valdorfer Schule zu gehen, die zu der Zeit auch nur zwei Klassenzimmer besaß.

Es gingen damals in diese Schule Valdorfer, Bonneberger, Wehrendorfer, Hollwieser und Winterberger Kinder. Diese hatten dann täglich im Durchschnitt dreieinhalb Stunden Schule. Denn länger konnten sie nie Schule haben, weil ein großer Teil der Kinder noch einen weiten Heimweg vor sich hatte.

Sobald dann die Kinder das elfte Lebensjahr erreichten, mussten sie zum Pastor in den Katechumenenunterricht gehen. Dieser wurde jedoch nur in Wehrendorf gegeben. So waren dann alle Kinder auch vom Winterberg gezwungen, die das Alter hatten, wöchentlich einmal, ein Jahr später dann im Konfirmandenunterricht zweimal, von allen Richtungen des Winterberges aus nach Wehrendorf in Holzschuhen in den Unterricht zu gehen.

Da es die Eltern dann aber nicht mehr länger mit ansehen konnten, dass ihre Kinder Tag für Tag, ob Regen oder Sonnenschein, nach Valdorf zur Schule mussten, so wurde im Jahre 1885 zum erstenmal von Seiten der Winterberger Eltern die Gemeinde gebeten, doch auf dem Berg eine Schule zu erbauen. Aber immer wieder waren Mitglieder der Gemeindevertretung dagegen. Man hatte immer kein Geld.
Schließlich schrieb dann die Elterngemeinschaft, die den Bau einer Schule auf dem Winterberg für nötig hielt, an die Königliche Regierung in Minden. Diese schrieb dann an die Gemeinde zurück und befahl, innerhalb von zwei Jahren eine Schule zu errichten.
Aber auch hieraus wurde noch nichts, denn es war noch nicht entschieden, wo eine Schule errichtet werden sollte. Jeder versuchte nämlich, sie in seine Nähe zu bekommen, zu Gunsten seiner Kinder.

Schließlich wurde dann entschieden, dass sie auf dem Klinksiekschen Grundstück, welches die Gemeinde schon vor Jahren angekauft hatte, erbaut werden sollte.

Aber hieraus wurde vorläufig noch jahrelang nichts, denn die Gemeinde weigerte sich immer noch, bis die Eltern dann aber nicht nachließen und noch einmal an die Königliche Regierung schrieben. Hiernach bekam die Gemeinde noch einmal eine Aufforderung von der Regierung und sie sah sich dann schließlich gezwungen, mit dem Bau einer Schule auf dem Winterberg zu beginnen.

Endlich, im Jahre 1892 nach siebenjährigem Vorhaben, war der Wunsch der Winterberger Eltern nach einer eigenen Schule erfüllt, wenn sie auch anfangs nur ein Klassenzimmer besaß.

1905 wurde dann noch eines hinzugebaut. Genaueres über die Verhandlungen kann man in der Schulchronik nachlesen.

Unser Schulweg

Blick auf Bad Senkelteich - Im Hintergrund die langgedehnte Saalegge. Rechts höchster Punkt 300,1 m über NN - Weithin sichtbare Eiche - Postkarte um 1950Bild: Blick auf Bad Senkelteich – Im Hintergrund die langgedehnte Saalegge. Rechts höchster Punkt 300,1 m über NN – Weithin sichtbare Eiche – Postkarte um 1950

Ich freue mich, dass ich einen so schönen Schulweg habe. Ich wohne hinter der Saalegge und muss täglich über diesen Berg zur Schule. Der Berg ist meistens mit Fichten, Buchen und Eichen bepflanzt. In der warmen Zeit, wenn wir dann früh aus der Schule kamen, suchten wir einen freien Platz in den Büschen, den wir dann als Sommerbude benützten. Wir besuchten sie dann immer auf dem Rückweg. Dort machten wir manchmal unsere Hausaufgaben und verglichen sie dann.

Doch ab und zu musste einer von uns schnell nach Hause kommen, ent-weder meine Freundin oder ich. Dann konnten wir unsere Sommerbude nicht besuchen. Manchmal schimpfte meine Mutter, wenn wir zu lange fortblieben.

Bei Regenwetter zogen wir in der Saalegge unsere Schuhe und Strümpfe aus und gingen barfuß zur Schule. Als dann im Sommer die Blaubeeren reif waren, blieben wir manchmal noch länger weg. Meine Mutter konnte es schon an meinem Mund ansehen, wo ich solange war. Der Mund war ganz blau, so viel hatten wir gegessen.
Manchmal brachte ich ihr auch welche mit. Bei den Himbeeren und Brombeeren war es auch nicht anders, obwohl ich Brombeeren gar nicht gerne mochte. Meine Freundin umso lieber und auf die hab ich dann gewartet.

Dann ging es so langsam dem Herbst zu und die Bäume wurden bunt. Manche Blätter waren noch grün, manche gelb und andere waren schon bräunlich. Der Wind fegte durch die Äste und die Sonne schien nicht mehr so warm. Jetzt, wenn es tüchtig regnete, konnten wir nicht mehr unsere Schuhe ausziehen und wir kamen mit klitschenassen Füßen zur Schule. Wir besuchten noch einmal unsere Bude, aber die sah nicht mehr so schön aus wie im Sommer. Die Äste, die über ihr hingen, waren kahl.

Dann fiel auch bald der erster Schnee. Vor dem Hofe wehte all der Schnee auf einen Haufen und wir mussten jeden Tag da durch. Unter der Saalegge war dasselbe Theater. Dort konnten wir kaum durchkommen.

In dem anderen Jahr wurde vor dem Hof die Hecke abgehauen und als Osterfeuer benützt. Was nützte das, wenn vor dem Hofe nicht mehr so viel Schnee lag. dafür lag auf der Saalegge um so mehr, dass wir dort kaum durchkamen.

Der Schnee war so hoch, dass ich nicht darüber hinweg sehen konnte. Dann entdeckte ich einen Zweig, der aus dem Schnee herausragte. Daran zogen wir uns hoch. Als wir oben auf dem Haufen waren, sackten wir bis an die Oberschenkel ein. Als wir dann über den Haufen waren, liefen wir, was wir konnten. Diesen Tag kamen wir wieder zu spät zur Schule.

Die Illustrationen sind nicht der Heftausgabe entnommen, sondern wurden während unserer Lesung dieser Aufsätze auf der 950-Jahr-Feier als Hintergrundbild verwendet.