(aus: Z05 – gwsplitter – Eichholz-Siedlung)
Text: H. P. Märgner
Am 28. August 1990 konnte man in der Zeitung unter der Überschrift »Als Huhn und Schwein noch zu jedem Haushalt gehörten« über das Jubiläumsfest der Bewohner der Eichholzsiedlung lesen. Sie feierten den Einzug der ersten Vertriebenen und Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten 30 Jahre zuvor in die hier entstandene Nebenerwerbssiedlung an der Glimke-, Kulmer und Allensteiner Straße. Diese drei Straßen bildeten den Kern der Siedlung.
Bild: Geländeübersicht Eichholzsiedlung* – Position »Möller-Hof« oben links Zugang über die Posener Straße.
Exter stand in den Nachkriegsjahren wie alle Gemeinden vor dem Problem, geeignete Wohnungen für die Menschen aus den Ostgebieten zu schaffen. Das war für beide Seiten eine schwierige Zeit, und man musste sich auch erst einmal beschnuppern. Nach einer Statistik lebten im Jahr 1939 in der selbständigen Gemeinde Exter 1730 Einwohner; diese Zahl stieg bis zum Jahr 1950 auf 2380, davon waren 526 Heimatvertriebene.
Zur Linderung der Wohnungsnot wurden in den 1950er Jahren neue Siedlungsflächen am Solterberg (Nelkenstraße) und im Südosten der Gemeinde, nahe der lippischen Grenze, erschlossen. Die Siedlungsgenossenschaft »Rote Erde GmbH«, Münster, hatte vom Landwirt Schemmel, dessen Hof zu Wüsten gehört, Bauland für eine Nebenerwerbssiedlung erworben und erhielt 1959 eine Ansiedlungsgenehmigung für 29 Nebenerwerbsstellen und fünf Kleinsiedlungen.
Bewerber (Vertriebene, Flüchtlinge), die nachweisen konnten, dass sie in ihren ehemaligen Heimatorten landwirtschaftlich tätig waren, erhielten einen Siedlungseignungsschein. Die Nebenerwerbsstelle bestand aus einem zweigeschossigen Wohnhaus mit angegliedertem Stall und einem kleinen Stück Land, das landwirtschaftlich bearbeitet werden musste. Viehhaltung war Pflicht. Die Siedlungsgenossenschaft kontrollierte die Einhaltung der Vorschriften.
Bild: 1995 – Mitglieder und Gäste der Geschichtswerkstatt auf einer Spurensuche. Im Hintergrund die Eichholzsiedlung im nördlichen Bereich. Davor befindet sich der alte Möllerhof (Haupthaus) mit dem Nebengebäude mit Bruchsteinmauern.
Als erste bezog die Familie Wulff im Sommer 1960 ihr neues Domizil und erhielt die Hausnummer Exter Nr. 250. Bis 1961 waren 80 Prozent der Wohnungen bezogen. Das Einkaufen war für die Bewohner der Siedlung schwierig, man wohnte abseits des Dorfes und öffentliche Verkehrsmittel gab es nicht. Da eröffnete Alfred Wulff in seinem Haus ein kleines Lebensmittelgeschäft, zunächst provisorisch im Keller, die Waren lagerten auf einer ausgehängten Holztür, später dann in einem Anbau des Hauses. Ins Dorf kam man seltener und so wurde nicht nur Essbares gekauft, sondern auch das Neueste vom Tage ausgetauscht.
1972 ging das Geschäft an einen Nachfolger über, der aber 1975 aufgab. Viele Anwohner waren nun verkehrsmäßig mobiler, beruflich auch in den Nachbarstädten tätig und hatten die Möglichkeit, in den großen Supermärkten einzukaufen.
Bild: 2013 – links der Glimkestraße in Richtung Industriegebiet Exter an der Südseite der Siedlung die Kulmer Straße
Auch die landwirtschaftliche Bearbeitung der kleinen Flächen lohnte sich bald nicht mehr. Die Ställe wurden zu Wohnungen und Garagen umgebaut. Wenn die Kontrolleure der Genossenschaft kamen, wurden Ställe provisorisch hergerichtet und Hühner und Kaninchen untereinander ausgetauscht. So konnte man den gleichen Hahn in verschiedenen Gärten krähen hören. Die landwirtschaftlichen Auflagen wurden dann in der Mitte der 1970er Jahre aufgehoben. Die Zeiten hatten sich geändert.
Die Siedlung liegt an der Glimkestraße im Südosten Exters. Die Straße wurde nach dem weiter südlich, zwischen den Ortschaften Exter und Wüsten, fließenden Grenzbach Glimke benannt. Er bildet hier die Grenze zwischen den Kreisen Herford und Lippe.
Von der Glimkestraße aus führen Anliegerstraßen in die Siedlung, die bei der Großgemeindebildung Namen erhielten, die an Städte und Landschaften in den ehemaligen deutschen Ostgebieten erinnern sollen. Glimkestraße, Kulmer Straße und Allensteiner Straße bilden den Kern der Siedlung; hier wurden die Nebenerwerbsstellen errich-tet. Das umgebaute Fachwerkhaus in der Allensteiner Straße gehörte früher zur Hofanlage Schemmel. Bewohnt wurde der Kotten damals vom Gespannführer des Hofes mit Namen Deppe. Im preußischen Urkataster von 1828 werden die Parzellen, auf denen die »Siedlung Eichholz« entstand, mit »im Sundern« bezeichnet und als Ackerland. »Im Sundern« war ein aus der waldbestandenen gemeinen Mark ausgesondertes Feld, das dann landwirtschaftlich genutzt wurde.
Bild: 2014 – Von der Glimkestraße aus ein Blick in die Allensteiner Straße, die Glimkestraße führt nach rechts weiter in Richtung Industriegebiet Exter.
Die Häusergruppe, früher nach der Siedlungsgenossenschaft unter der Bezeichnung »Rote Erde« bekannt, erhielt den offiziellen Namen »Siedlung Eichholz«. Zurückzuführen ist er wohl auf die nördlich gelegenen Parzellen, die im schon erwähnten Urkataster »im Eichholz« genannt werden und auf den westlich angrenzenden Wald.
Zwei weitere Straßen gehören nicht zur ehemaligen Nebener-werbssiedlung. Als normale Wohngebäude entstanden Ende der 1960er Jahre die Häuser an der Tilsiter Straße. Die Posener Straße ist die Zufahrt zum Möller-Hof und endet dort. »IM JAHRE 1836 DEM 14. MAI HAT ANNE ILSEBEIN MEISEN UND IHRE SOHNE PHILIPP UND SIMON DIESES HAUS BAUEN LASSEN«, so kann man es auf dem Torbogen des Hauptgebäudes des Möller-Hofes lesen. Sohn Philipp war von dem Haupthof Meise mit Land abgefunden worden, was damals wohl relativ selten vorkam. Dieser Haupthof war bis 1786 unter lippischer Herrschaft, befand sich jedoch auf Ravensberger Gebiet.
* � Open-Street-Mitwirkende, Lizenz CC BY-SA