Naturlehrpfad Bonstapel // (aus: N05 – Bischofshagen Nr. 51)
Wir schreiben das Jahr 1893 und leben in einem Kaiserreich. In Berlin regiert der Deutsche Kaiser und König Wilhelm der II. Es gibt bereits einen Kreis Herford und der Landrat heißt von Borries. Das technische Zeitalter hat nach dem Bau der Köln-Mindener Eisenbahn (1847) und Strecke Osnabrück-Löhne 1855, als späteren Eisenbahnknotenpunkt in Löhne, Einzug gehalten, die Verbindung über Vlotho in Richtung Hildesheim folgte 1875.
Auch der Ausbau des Wegenetzes in Löhne, so zum Beispiel der heutigen Koblenzer Straße (1889) und Witteler Strasse (1894) zu Chausseen, trug zur weiteren Entwicklung der Region bei. Später führte dies zur Ansiedlung von Industriebetrieben auch im Löhner Raum. Auch in der Landwirtschaft hielten die Industrieprodukte ihren Einzug. Die landwirtschaftlichen Geräte, hier insbesondere der Pflug, wurden nicht mehr vorwiegend handwerklich, sondern immer häufiger industriell hergestellt.
Bild: Die als „Mühlenkamp“ bezeichnete Flur in Löhne-Bischofshagen. Der Name könnte auf einen Mühlenstandort an der Kohlflage (Pahmeier?) zurückzuführen sein, der heute nicht mehr zu lokalisieren ist.
Der im Urkataster von 1826 aufgeführte Hof Pahmeier, Bischofshagen Nr. 51, wurde mit sechs Morgen Land angegeben und ist als Kleinbesitz in der damaligen Landwirtschaft anzusehen. Fleiß und Sparsamkeit der Besitzer, die Eheleute Carl Friedrich Pahmeier und Anne Marie Frederike Pahmeier geb. Meier aus Löhne führten aber dazu, dass am 14. Juni 1893 auf dem Hof Mühlmeier Richtfest gefeiert wurde. Auch die am 26. April 1898 vom Landrat von Borries, dem Carl Friedrich Wilhelm Pahmeier zu Bischofshagen verliehene vom „Großen Kaiser Wilhelm I.“ gestiftete Erinnerungsmedaille aus erbeuteter Kanonen-Bronze, ist ein weiterer Hinweis auf die herausragende Persönlichkeit des oben genannten. Wobei nicht geklärt ist, wofür Carl Friedrich Wilhelm Pahmeier vom Kaiser mit der Erinnerungsmedaille (vergleichbar mit dem heutigen Bundesverdienstkreuz) ausgezeichnet wurde.
Nun aber wieder zurück zu dem Richtfest des Vierständer-Fachwerkhauses. Der Zeitpunkt der Hausrichtung war so gewählt, dass die Ernte noch bevorstand und wie früher und heute wurden die Nachbarn zur Hilfe und zum Richtfest geladen. Von den christlich geprägten Bauherren wurde in der Torinschrift erwähnt: „Das dieses Haus durch Gottes hülfe gebaut und aufgerichtet wurde.“ Der Bibelspruch lautete: „Segne unser täglich brod, segne unser tun!“
Bild: Bischofshagen Nr. 51/Kohlflage 7 vor dem Umbau, ein nur wenig mehr als 100 Jahre zählendes Gebäude, Nordansicht.
Der Zimmermeister ist nicht in der Torinschrift aufgeführt, es ist aber davon auszugehen, dass es Nachbar und Zimmermeister Holle war, (heute Kohlflage Nr. 1) der nach Auskunft älterer Anwohner die Zimmerarbeiten an den Häusern in der ganzen Umgebung gefertigt hat. Wochen vorher wurden schon die Fundamente aufgeschüttet und die Fachwerkwände nach Lot und Wasserwaage aufgestellt. Das Fachwerk ist aus Eichenholz gezimmert, die darüber liegende Balkenlage und der Dachstuhl aus geflößtem Fichtenrundholz. Vorarbeit war also nötig, es mussten genügend abgelagerte Eichenbalken vorhanden sein und das geflößte Rundholz wurde mit dem Pferdefuhrwerk von der Weser aus Minden oder Vlotho geholt.
Der Grundriss des Vierständerfachwerkhauses misst von der Giebelseite 13,20 x 17 Meter und ist mit der Deelentür (Graute Duer) nach Norden ausgerichtet. Das Vierständerfachwerk ist als jüngere Form des Deelenhauses nach dem Vorbild der Ackerbürgerhäuser des 15. und 16. Jahrhunderts entwickelt worden. Durch die vier gleich hohen Ständerreihen entstand ein größerer Dachboden, durch den räumlichen Vorteil wurden zwei volle Geschosse rechts und links der Deele geschaffen.
Bild: Kohlflage Nr. 7 (als Wiedenhof) nach dem Umbau, Nordansicht
Die Deele ist der Mittelpunkt (Arbeitsraum, Raum für allerlei Festlichkeiten etc.) und nimmt fast die Hälfte des Hauses ein. An der Deele standen die gemauerten Krippen – zur Deele hin mit Klappen versehen – für die sonst offenen Stallungen für vier Kühe und zwei Pferde(Koehstall, Peerstall). In der hintersten Ecke des Kuhstalls befand sich an der Giebelseite das Örtchen mit dem Herz in der Tür für die menschlichen Bedürfnisse. Der Hühnerwiem war auf der Bühne über dem Pferdestall für die Hühner eingerichtet worden. Schweine wurden des starken Geruchs wegen grundsätzlich außerhalb des Hauses in gesonderten Ställen untergebracht. Der weiträumige Dachboden (Up’n Balken) diente als Lagerraum für das unausgedroschene Getreide (Kornbalken), das vom Erntewagen durch die Bodenluke befördert wurde. Zur Winterzeit wurde es durch die Luke auf die Deele zurück befördert, wo anfangs mit Dreschflegeln und später mit Dreschmaschinen gedroschen wurde. Nun aber wieder zurück zum 14. Juni 1893, zum Tag des Richtfestes.
In seinen vierteljährlichen Berichten meldete Landrat von Borries u. a. über das Wetter: „Der Monat Januar 1893 begann mit strenger Kälte und winterlichem Wetter. Die ersten 10 Tage im Monat Juli waren sehr heiß, am 5. Juli stieg die Hitze auf 36,25 Grad Celsius.“ Unter „Wohlstand“ wurde im ersten Quartal 1893 gemeldet, dass dank der blühenden Zigarrenindustrie und der reichlichen Arbeitsgelegenheiten der Wohlstand im allgemeinen als günstig bezeichnet werden konnte. Dazu eine Anmerkung aus der „Löhner Zeitung“ vom 4. Juni 2000. In der Rubrik „Lexikon Löhne“ wurde das Thema Kinderarbeit aufgeführt. 1898 machte in den von der Zigarrenindustrie geprägten Kreisen Minden, Lübbecke und Herford die festgestellte Erwerbsarbeit von Kindern mit 24 v. H. fast ein Viertel der im gesamten Kaiserreich aus. Im Mennighüffener Ortsteil Ostscheid waren 88 v. H. der Volksschulkinder davon betroffen. Man darf wohl fragen, wer in der blühenden Zigarrenindustrie zum Wohlstand gekommen ist.
Bild: Kohlflage Nr. 7 (als Wiedenhof) nach dem Umbau, Südansicht. Die Baumreihe rechts daneben kennzeichnet das östlich verlaufende Siek. Zwischen Siek und Haus befand sich noch bis in unsere Zeit ein öffentlicher Weg, der quer über das Grundstück führte.
In der Landwirtschaft war es üblich, dass die Jungen und Mädchen schon im Kindesalter im Haus und Hof mithelfen mussten. So gab es typische Kinderarbeit auf dem Lande, wie Kartoffeln auslegen, Hühner, Kühe und Gänse füttern, etc. Auch bei der Ernte mussten alle Familienmitglieder mit Hand anlegen. Üblich war es auch, dass ältere Mädchen für die Beaufsichtigung der jüngeren Geschwister zuständig waren. Oftmals kam bei diesen Tätigkeiten das Lernen für die Schule zu kurz. Wie es auf dem Hof Mühlmeier in Bischofshagen Nr. 51 gewesen ist, lässt sich im Nachhinein nicht mehr feststellen. Es ist aber davon auszugehen, dass die Mithilfe der Kinder auch hier ein Stück Normalität war.