und wo man früher in Exter einkaufen konnte.
(aus: „Kinderjahre in Ostwestfalen“,
und andere Erinnerungen an bewegte Zeiten)
Text: Ingrid Siepmann, Exter
Bildunterschriften: gwexter
So war der Tagesablauf
Die Mahlzeiten waren einfacher, aber da viel schwerer körperlich gearbeitet wurde, auch nahrhafter und fetter. Morgens wurde erst einmal ein großer Topf Grütze gekocht, eine Milchsuppe mit Haferflocken, die ständig gerührt werden musste, damit sie nicht anbrannte. Ich schlechte Esserin bekam meistens noch einen Stich Butter oder ein geschlagenes Eigelb hineingerührt. Um neun Uhr gab es ein zweites Frühstück, pünktlich um zwölf Uhr aßen wir zu Mittag.Dann war auch in der Fabrik Mittagspause. Nachmittags wurde in der Fabrik noch einmal eine kurze Pause gemacht, dann tranken wir Kaffee.
Zum Abendessen gab es meistens eine große Pfanne mit Bratkartoffeln aus den übrig gebliebenen Kartoffeln von mittags, lecker mit Speckkinkeln und Zwiebeln. Dazu schmeckten eingelegter Kürbis oder Gurken sehr gut. Häufig wurde auch der Rest Eintopf vom Mittagessen aufgewärmt und gegessen, nachher gab es für ganz Hungrige noch Butterbrot.
Die Mahlzeiten nahmen wir gemeinsam ein. Es gehörte einfach dazu und war allgemein üblich, dass vorher und nachher ein kurzes Gebet gesprochen wurde. Ich musste auch beten, wenn ich abends zu Bett ging. Es war nicht üblich zu den Mahlzeiten etwas zu trinken, abends gab es Kaffee zum Essen, wenn Butterbrote gegessen wurden. Heute hat man kistenweise Mineralwasser, Bier, Säfte und andere Getränke im Haus, dies war in meiner Jungend unbekannt. Die heute weltbekannte Coca-Cola fand so richtig erst nach dem Kriege ihre Liebhaber in Europa. Wenn man Durst hatte, trank man Leitungswasser oder auch „Saftwasser“, Leitungswasser mit einem Schuss von im Sommer bereitetem Himbeer- oder Erdbeersaft.
Bild: (o. J.) Links im Bild ist Haus Kuhlmann zu sehen. Von der Familie wurde lange Jahre hindurch eine Tankstelle betrieben. Hier fand man auch die Schlosserei Kuhlmann sowie ein Haushaltswarengeschäft. Rechts daneben ist noch das Haus Budde zu sehen mit Kolonialwarenladen. Später betrieb die Familie Wilke in einem Neubau ein Edeka-Geschäft, heute befindet sich hier der Ausstellungsraum eines Baustoff-Geschäftes. Im Hintergrund des Bildes sind noch die Schienen der Kleinbahn zu erkennen, die in den 1960ern eingestellt wurde.
In den Gastwirtschaften war Bier das übliche Getränk. Bei uns in Ostwestfalen war es noch nicht verbreitet Wein zu trinken, einen Schoppen offenen Wein gab es schon gar nicht. Kinder tranken Apfelsinchen, eine dünne, recht süße Limonade. Die Bierfässer wurden mit Pferdefuhrwerken mit schweren Kaltblütern davor zu den Gastwirtschaften gebracht. Um das Bier kühl zu halten, brachten die Bierlieferanten, ebenfalls mit Pferdefuhrwerken, dicke Eisstangen. Diese wurden in die Bierkeller transportiert; dort hielten sie sich lange.
Bei Simon Knöner, dem Wirt vom „Gasthof zum Bahnhof“ im Dorf, hielt das Eisfuhrwerk an der Straße, die Eisstangen wurden direkt durch die Kellerfenster in den Bierkeller geschoben. Wenn wir als Kinder vorbeikamen, hatten wir meistens Glück und fanden ein Stückchen abgebrochenes Eis, an dem wir lecken konnten.
Bei Knöner hatten einige der nicht ganz kleinen Exteraner Bauern ihren Stammtisch bzw. ihr Stammsofa. Dort hockten sie – wie erzählt wurde – täglich. Dazu gehörte natürlich auch ein nicht ganz niedriger Alkoholkonsum, was für die wirtschaftliche Situation ihrer Höfe nicht unbedingt gut war.
Auf dem Lande pflegte man vielfach – besonders im Sommer während der Ernte auf dem Feld – aus einem Eimer Wasser zu trinken, in das man einen großen Schuss Essig geschüttet und Brotstücke gegeben hatte. Dieser Brottrunk war sehr erfrischend.
Bohnenkaffee gab es nur sonntags oder an den Feiertagen, sonst trank man Muckefuck, wie man den Kaffeeersatz auch nannte. Der Kaffee wurde auf dem Kaffeemehl, dem Prött, aufgebrüht und musste sich erst setzen. Kaffeemaschinen oder auch nur -filter waren noch nicht erfunden. Den Bohnenkaffee ließ meine Mutter von einer Spezialfirma schicken.
Supermärkte waren unbekannt, man kaufte im Kolonialwarenladen
Bild: Bahnhofsgaststätte Simon Knöner mit Kolonialwarenladen und Tanksäule.
Für frische Kuhmilch sorgte der Milchmann Krumme. Mit dem Fahrrad und einer Milchkanne daran fuhr er von Haus zu Haus und füllte die Milch mit einem Messbecher direkt in der Küche ab. Den sonstigen Bedarf an Lebensmitteln kauften wir im Kolonialwarenladen von Ellermann. Was es dort zu kaufen gab, war gegenüber der heutigen Vielfalt mehr als dürftig.
Zucker, Salz, Mehl usw. wurden in Papiertüten abgefüllt und auf einer zweiarmigen Waage mit Gewichten ausgewogen. Puddingpulver, Backpulver und ähnliches gab es schon in Papiertüten. „Ein heller Kopf kauft Dr. Oetker“ war damals der Oetkersche Werbeslogan. An Schnüren baumelten jede Menge Holzschuhe „Holsken“ in allen Größen von der Decke herab. Holsken waren die auf dem Land am meisten getragene Fußbekleidung. Auch zur Schule kamen einige Kinder darin. Ich konnte nie in ihnen laufen.
Liebend gern ging ich mit Hi zum Einkaufen. Hi nannte ich mein Kindermädchen Marie. Meistens fielen dann für mich ein paar „Bollchen“ in einer kleinen spitzen Papiertüte mit kleinen blauen Sternchen darauf ab.
Neben dem Kolonialwarenladen hatten Ellermanns auch eine Gastwirtschaft und eine Bäckerei, in der sehr gutes Landbrot gebacken wurde. Einmal pro Woche spannte Willi Ellermann ein Pferd vor den Federwagen, belud diesen mit frisch gebackenen Broten und brachte diese direkt zu den Kunden nach Hause. Im Kriege, als das Brot nur noch zugeteilt und gegen Lebensmittelmarken verkauft wurde, gab es diesen Service natürlich nicht mehr.
Man hätte sich in den kühnsten Träumen nicht vorstellen können, was heute für uns eine Selbstverständlichkeit ist: in riesigen Supermärkten in einer Fülle von Angeboten schwelgen zu können.
Damals stand man vor dem Tresen, wartete bis man an der Reihe war und ließ sich von der Verkäuferin das Gewünschte geben, so lange wie man denn überhaupt noch genug kaufen konnte. Im Krieg und nach Kriegsende bekam man nur noch Lebensmittel auf Marken, die Zuteilung wurde ständig dürftiger.
Bilder: Im oberen Bild ist das Gasthaus Ellermann zu sehen. Von der Familie wurde auch ein Kolonialwarengeschäft betrieben. Rechts vor Haus befindet sich eine der typischen Horststeingrotten im Bereich Vlothos, in der im Sommer Gäste bewirtet wurden. Das Bild unten zeigt das genau gegenüber der damaligen A2-Auf- und Abfahrt das seinerzeitige kleine Geschäft der Familie Südmersen.
Außer dem Kolonialwarenladen von Ellermanns gab es in Exter noch das Lebensmittelgeschäft von Südmersen (rechtes Bild – Eckhaus Im Königsfeld/Detmolder Straße), die auch eine Bäckerei hatten. Simon Knöner, dem der „Gasthof zum Bahnhof“ gehörte, führte auch einen kleinen Lebensmittelladen neben der Kneipe. Im Dorfzentrum gab es außerdem den düsteren Kramladen von Elise Budde, der Jahre nach dem Krieg abgerissen wurde, als dort Wilkes Lebensmittelgeschäft neu gebaut wurde. Kuhlmanns hatten neben einer Mini-Tankstelle, die später vergrößert wurde, einen Laden, in dem es alles für den Haushalt zu kaufen gab: Geschirr, Töpfe, Putzmittel und anderes, aber auch Fahrräder, Handwerkerzubehör und vieles andere. Außerdem besaßen Kuhlmanns eine Klempnerei und Schlosserei.
Bei Ellermann gab es im ersten Stock einen Saal, in dem Feste gefeiert und Theaterstücke aufgeführt wurden. Größer war aber der Saal von Simon Knöner. Bei den Dorffesten konnten hier noch mehr Leute fröhlich feiern und tanzen. Gelegentlich fand hier eine Filmvorführung statt. Auch der Turnverein trainierte regelmäßig in diesem Saal, da es in Exter keine Turnhalle gab.
Hinweis: Einen speziellen Artikel zu den genannten Gaststätten finden Sie hier!