(aus: G06 – Spurensuche IV und: SD07 Windmühle Exter)
Früher wurden Mühlen fast ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Mühlenbannes für die Mahlgeschäfte der umliegend ansässigen Landbevölkerung gebaut. Die Genehmigung erteilte der Landesherr bzw. verpachtete er die Mühlengerechtigkeit, bezog also Einnahmen daraus.
Friedrich Wilhelm Lindemann in der damals noch selbstständigen Bauerschaft Solterwisch (Nr. 5) erhielt die Bauerlaubnis unter dem Datum vom 27. Mai 1850. Den Mahlzwang gab es da schon lange nicht mehr (in Preußen seit etwa 1803) und in Westfalen herrschte seit der Zeit der napoleonischen Besetzung ab 1810 Gewerbefreiheit. Die Vorbereitungen für den Bau begannen schon im März des gleichen Jahres. Innerhalb erstaunlich kurzer Zeit wurde die Mühle errichtet und der erste Hinweis auf die Inbetriebnahme findet sich für den 15. November 1850. Allerdings war die Mühle da noch nicht vollständig eingerichtet gewesen.
Bild: Exter-Talbrücke der A 2 etwa 1950, durch den mittleren Bogen ist die Windmühle zu sehen.
So gab es erst zwei Mahlgänge, ein spezieller Weizengang folgte später. Die Kappe musste noch mühsam von Hand mittels einer „Stert“ genannten Balkenkonstruktion in den Wind gedreht werden. Erst nach einer ersten Renovierung und Modernisierung auf den seinerzeit aktuellen technischen Stand kurz vor dem Ersten Weltkrieg übernahm eine Windrose die automatische Ausrichtung. Die bislang mit Tuch bespannten Flügelblätter wurden mit Klappen versehen, die vom die Mühle fast rundum umgebenden Wall aus eingestellt werden konnten. Die heutige Galerie zur Südseite wurde erst sehr viel später angebaut, als die Mühle nur noch Ausflugsziel war.
Bild: In den 1950ern: Ansicht von Norden her
Der Sandstein für den Turmbau stammte aus umliegenden Steinbrüchen, einem hauseigenen dort, wo sich heute das Wohnhaus der Lindemanns befindet und einem im Solterberg. Sand kam aus Melbergen und Gohfeld. Auch die Eichenbalken kamen aus der Region, während für Flügel und Innenausbau das elastischere Tannenholz aus Thüringen genutzt wurde, das als Floß den Vlothoer Weserhafen erreicht hatte. Transporte besorgten meist Solterwischer Bauern, denen ein solches Zubrot willkommen war..
Hauptsächlich nutzte Lindemann die Mühle für die Verschrotung von Futtergetreide für sich selbst, denn zeitweise waren über 50 Stück Großvieh zu versorgen. Auch wenn er für andere arbeitete, war sie wohl nicht als Gewerbebetrieb geplant. In voller Ausstattung verfügte sie über drei Mahlgänge (Weizen, Roggen und Schrot). Wenn auch in anderen Mühlen immer häufiger Elektromotoren eingesetzt wurden, war das hier nie der Fall, worauf der 2003 verstorbene Gustav Lindemann, ein Enkel des Erbauers, immer voller Stolz hinwies. So wurde die Windmühle bis 1960 betrieben, als allerorten das subventionierte Mühlensterben in Deutschland auch Ostwestfalen erfasst hatte.
Bild: Kirschblüte 1947 – eines der schönsten alten Bilder.
Die Mühle ist vom Holländer-Typ mit einer Durchfahrt durch den Wall. Bei einer Bauwerkshöhe von fast 30 m beträgt die Flügelpaarlänge ungefähr 23 m. Heute ist zur Talseite hin eine Galerie zu sehen, die aber erst in unserer Zeit errichtet wurde. Die Renovierung in den Jahren 1985 bis 1987 veranlasste der Löhner Verein „Vom Korn zum Brot“, der im nahe gelegenen Mittelbachtal Rürups Wassermühle als beliebtes Ausflugsziel betreut.
Einige Jahre hindurch erlebte die Windmühle in Exter regen Besuch; mit Programm präsentierten sich regelmäßig örtliche Vereine. Besondere Höhepunkte im dörflichen Gemeinschaftsleben waren die Einladungen der Freiwilligen Feuerwehr Exter zu Beginn der Saison und das Erntefest der Landfrauen zu ihrem Ende. Ein besonderes Fest erlebte sie so im Jahr 1998 anlässlich des 70jährigen Bestehens der Kreislandfrauen. Auch die Kirchengemeinde oder die Geschichtswerkstatt Exter waren im Einsatz, wenn es hieß: „Mühlentag in Exter“.
Bild: Impression auf dem Biker-Treffen an Lindemanns Mühle am 4. September 2005
Allmählich zeigten sich ernst zu nehmende bauliche Mängel; so war der Verputz des optisch ansprechenden, aber qualitativ geringwertigen Sandsteines seinerzeit nicht erneuert worden und Regenwasser suchte sich seinen Weg ins Innere, außerdem brach 1994 einer der Flügel ab. In den einsetzenden Zeiten besonders knapper Mittel fehlte Geld aus öffentlichen Quellen für die angemessene Renovierung und so stand zu befürchten, dass ein beliebtes Ausflugsziel in Exter dem Verfall preisgegeben war. Zwar hatte es schon früher kommerziell orientierte Interessenten gegeben, Nutzung in dieser Richtung kam aber nach wie vor nicht in Frage. Was die regelmäßige Öffnung an Sonn- und Feiertagen anging, war es nicht mehr zu vertreten, Besucher in das Bauwerk hineinzulassen.
Einige Unentwegte gaben nicht auf. Im September 2004 gründete sich unter der Leitung des in Exter lebenden früheren Vlothoer Bürgermeisters Ulrich Stuhrhahn der Verein „Windmühle Exter“, der im April 2005 nach langen Verhandlungen das Bauwerk und den unmittelbar dazugehörenden Grund und Boden übernahm. Der Verein unternahm gewaltige Anstrengungen und stellte sich als erstes die Aufgabe, das größte Problem, die Feuchtigkeit in den Wänden, in den Griff zu bekommen.
Bild: Dezember 2008 – über Nacht hatte es leicht geschneit …
Die Lösung präsentiert sich heute: Die Verkleidung mit Holzschindeln brachte binnen weniger Monate den gewünschten Erfolg. Auch intensive Regengüsse werden heute vom weichen, wasserdurchlässigen Sandstein weitestgehend abgehalten. Die Schindeln sind mit einem kleinen Abstand angebracht, die Luft kann ungehindert zirkulieren und so zum Verdunsten etwa doch durchgedrungener Feuchtigkeit beitragen. Die Mühle ist trocken wie in den Tagen des Vollzeitbetriebs.
Im Jahr 2008 wurde das Flügelkreuz ersetzt, seinen Probelauf hat es mit Bravour bestanden. Erforderlich wurde aber auch die Erneuerung der Innenausstattung, als sich zeigte, dass die Balkenkonstruktionen der Innenböden durch die Nässe in den Jahren zuvor nachhaltig geschädigt waren. Doch noch weitere Arbeiten waren nötig, bis die Mühle im alten Glanz da stand.
Bild rechts: Ein Blick aus der Mühle nach Süden. Im Türrahmen sind die Holzschindeln gut zu erkennen, der Blick fällt auf die neu angebrachte stabile Galerie und darüber hinaus auf das im Tal gelegene Exter bis weit hinein ins Lippische.
Einige Mühlenfeste hatte der Verein „Windmühle Exter“ auch in der Zeit der Renovierung mit gutem Erfolg veranstaltet und bei solchen Gelegenheit über die Fortschritte informiert. Der Deutsche Mühlentag 2009 am 1. Juni, dem Pfingstmontag, war die Generalprobe und heute heißt es (was wir uns wortwörtlich allerdings nicht wünschen!) regelmäßig wieder: „De Mühlen draiet sik …!“
Bild: Die rustikale Athmosphäre, die das Foto vermittelt, ist ein würdiger Rahmen für eine Eheschließung.
Auch etwas gänzlich Neues gibt es zu vermelden: Wer sich traut, kann sich in der Mühle standesamtlich trauen lassen, die Stadtverwaltung Vlotho hat die Genehmigung erteilt. Wer ein besonderes Umfeld für diesen entscheidenden Schritt ins gemeinsame Leben sucht, findet es hoch über Exter seit Juli 2009.