Aktive Zeiten – Günter Graf erinnert sich

Der pensionierte Eisenbahner Günter Graf engagiert sich aktiv in der heimatgeschichtlichen Szene Vlothos. Er wurde 1961 in die Weserstadt versetzt und verlebt als Pensionär seit 1983 hier seinen Lebensabend. Hier berichtet aus seiner Zeit als aktiver Eisenbahner im Bahnhof Vlotho. Wie auf kleineren Stationen üblich, arbeitete auch er in allen Bereichen des täglichen Personen- und Güterverkehrs. – In eckige Klammern in diesem Text eingeschlossene Passagen sowie die Bildunterschriften sind Ergänzungen der Geschichtswerkstatt

Die Eisenbahnstrecke Löhne-Hameln und das Bahnhofsgebäude entstanden in der Zeit von 1870 bis 1875. 1873 feierte man das Richtfest der Eisenbahnbrücke über die Weser. Im Juni 1875 wurden Bahnhofsgebäude und Strecke eingeweiht.

Im Bahnhofsgebäude befanden sich zwei Schalter für Fahrkarten, einer für Gepäck und ein weiterer für Expressgut mit den dazugehörenden Räumlichkeiten für Abwicklung und Zwischenlagerung. Außerdem gab es das Personalbüro und ein Büro für den Bahnhofsvorsteher. Zwei Wartesäle für die Klassen I/II und III/IV waren ebenso wie ein Restaurationsbetrieb vorhanden. 1928 wurde die 4. Klasse auch in den Zügen abgeschafft.

Der Vlothoer Bahnhof bot einen Bahnsteig mit zwei Durchfahrt- und zwei Überhol- bzw. Rangiergleisen. Für Zug- und Rangierfahrten, Signal- und Weichenstellung standen das Stellwerk Vw, Vof und die Blockstelle Uffeln mit ca. 8 Bediensteten zur Verfügung.

Zuerst transportierte man Expressgut und Reisegepäck mit Schubkarre und Handwagen, in neuer Zeit mit Elektrokarren zum Zug. Erheblichen Anteil am Betrieb hatte die Güterabfertigung mit 10 Bediensteten und einem hohen Aufkommen an Frachtstückgut und Wagenladungen.

[Ladestraße, Rampe und Anschlussgleis wurden täglich bedient. Günter Graf erinnert sich auch an zu entladende Zirkuszüge mit 25 – 30 Wagen. Im Juni 1975 wurde die Güterabfertigung geschlossen. ] Am 1. Mai 1992 wurde der Bahnhof geschlossen, die Schlüssel und wichtige Unterlagen im Bahnhofsbüro Löhne deponiert. Heute ist der Bahnsteig durch einen Seiteneingang am Bahnhofsgebäude erreichbar. Fahrausweise für den Nahverkehr können in einem Fahrkartenautomat gelöst werden.

1982 wollte man das Bahnhofsgebäude abreißen und durch einen Pavillon ersetzen. Für die Übergangszeit während Abriss und Baues lag schon eine Behelfsbaracke bereit. Auch Baupläne waren komplett ausgearbeitet, aus finanziellen Gründen sah man von diesem Vorhaben aber wieder ab. Am 11. März 1988 wurde das Bahnhofsgebäude auf Antrag des Heimatvereins Vlotho als „Technisches Bauwerk“ unter Denkmalschutz gestellt.

[Von 1961, als Günter Graf in Vlotho seinen Dienst antrat, bis zur Schließung 1992 gab es enorme Veränderungen.] 1961 hielt täglich u. a. auch ein D-Zug [auf der Strecke] von Helmstedt nach Aachen in Vlotho. Waren damals noch 12 Bedienstete im Bahnhof Vlotho eingesetzt, wickelte 1992 Reisegepäck- bzw. Expressgutabfertigung oder Fahrkartenverkauf 1992 nur noch Horst Niedernolte allein ab.

[Zwar versuchte man, durch persönlichen Einsatz die Vorzüge des Schienenverkehrs für Personen- und Warentransport bei Unternehmen, Schulen und Vereinen hervorzuheben, aber die Entwicklung zur Beförderung auf der Straße war nicht aufzuhalten. „Viele Züge fahren nahezu leer und auf den Straßen nimmt das Chaos immer weiter zu, das ist eine zu bedauernde Zeiterscheinung.“ Günter Graf schließt seine Erinnerungen mit dem Wunsch, dass das nun unter Denkmalschutz stehende Bahnhofsgebäude ein würdiges Aussehen erhält und man sich wieder auf den Personen- und Güterverkehr auf der Schiene besinnt, der doch viele Vorteile zu bieten habe.]