(aus: L10 – Spurensuche X)
„Plötzlich stand der heilige Lebuin mitten unter ihnen, angetan mit dem Priesterkleid, das Kreuz – wie es heißt – und das Evangelium in den Händen, und rief mit erhobner Stimme:
‚Hört, hört, ich bin der Bote des allmächtigen Gottes, sein Gebot überbringe ich euch Sachsen! Das ist die Botschaft Gottes, des Königs des Himmels und der Erde und seines Sohnes Jesus Christus an Euch: Wenn ihr die Seinen sein und das tun wollt, was er euch durch seinen Diener aufträgt, wird er euch soviel Gutes erweisen, wie ihr es nie zuvor gehört habt. So wie ihr Sachsen bis jetzt keinen König über euch gehabt habt, wird es auch in Zukunft keinen König geben, der euch beherrschen und unterwerfen kann. Wenn ihr aber nicht die Seinen werden wollt, so hört seinen Spruch an euch: Im Nachbarland steht ein König bereit, in euer Land einzudringen, es zu plündern und zu verwüsten, in vielen Kriegen euch aufzureiben, in die Verbannung zu schleppen, zu enterben und zu töten und euer Erbteil zu geben, wem er will; ihm und seinen Nachkommen werdet ihr dann unterworfen sein.“
Bild: 05-2000 – Blick aus westlicher Richtung auf die Kreuzung Alte Heerstraße/Hilligen Böke in Schwarzenmoor. Nach rechts geht es im Hintergrund zum Eggeberg, Standort des Herforder Senders.
So berichtet die zwischen 840 und 865 verfasste Vita Lebuini antiqua. Lebuini, alt-sächsisch Liafwin, stammt von angelsächsischen Eltern aus Britannien ab und ging bald nach der Priesterweihe nach Utrecht. Das Bistum Utrecht war Ausgangsbasis für alle missionarischen Bemühungen im friesisch-sächsischen Raum.
Das Christentum stellte einen der markantesten Unterschiede zwischen den Franken und den Sachsen dar. Es spricht von Gott, dem Vater als allmächtigen und einzigen Gott, der fürsorglich und auch Richter sein kann. In der germanischen Welt dagegen stand an der Spitze einer ganzen Götterwelt Wodan (oder Odin), der Kriegs- und Siegesgott. Donar (oder Thor) trat als Gott des Donners, ja als „jähzorniger Polterer, gewaltiger Biertrinker, enormer Esser, scharfer Haudegen, auf“. Die Sachsen hatten ihren Saxnot, ebenfalls ein Kriegsgott. Persönliche Fürsorge war von solchen Göttern wohl nicht zu erwarten.
Um 770 hatte nun Lebuin den dringenden Wunsch, in das Land seiner festländischen Vorfahren zu reisen und sie zum Christentum zu bekehren. Das zwischen Hessen und der Nordsee liegende Land der Sachsen reichte von den Nachbarschaften des Rheinlandes bis zur Elbe. Mitten darin lag der Ort Marklo, an dem die Sachsen jährlich ihren Allthing, die Stammesversammlung abhielten. Hier kamen die Häuptlinge zusammen, dazu aus jedem Gau zwölf auserwählte Edle, ebenso viele Freie und Halbfreie, eine zentrale Gewalt gab es nicht. Auf diesem Allthing wurden Gesetze erneuert, Recht gesprochen oder über Krieg und Frieden entschieden.
Bild: 04-2002 – Blick aus Nord-Ost auf die Kreuzung Alte Heerstraße/Hilligen Böke
Lebuin hatte unter den Sachsen auch Freunde und Vertraute. Einer von ihnen war Folcbrath (gesprochen: Folkbracht) im pagus Sudergo (Münsterland), der ihn wahrscheinlich zu einem Stammesthing der Sachsen begleitete. Keineswegs haben die „Heiden“ gleich alle christlichen Missionare bei ihrem ersten Auftritt umgebracht; wenn überhaupt, denn diese waren meist durch das heilige Gastrecht geschützt.
Als Lebuin nun auf der Versammlung der Stämme am Ort Marklo zu den Sachsen sprach und das Wort Gottes verkündete, blieb zunächst alles ruhig. Erst als er drohte, dass im Nachbarland ein König bereit stünde und ihr Land zerstören würde, wenn sie es nicht annähmen, erhob sich ein großes Geschrei unter den Anwesenden. Schon rückten die ersten Hitzköpfe näher und wollten Lebuin ergreifen als das Wunder geschah. Ein Baum öffnete sich und verbarg den Priester vor den Augen der Verfolger. Lebuin war verschwunden, die Sachsen blieben verwirrt zurück.
Bild: 04-2002 – Die Inschrift:“Nach alter Überlieferung stand hier die heilige Buche. In ihrem Stamm verbarg sich der heilige Lebuin im Jahr 772 vor seinen heidnischen VErfolgern, denen er in Marklo, dem Stammesthing der Sachsen, das Christentum predigte. Gestiftet von Heinrich Wemhöner. Anno 2002″
Zur Erinnerung an die wundersame Rettung stand bislang im Winkel Alte Heerstraße / Hilligenböke ein Baum: Die „Hilligenböke“, die „Heilige Buche“. Sie wurde zwar erst 1934 angepflanzt, aber schon im Mittelalter soll hier eine Buche gestanden haben. Am 19. April 2002 konnte nun, angeregt durch Martin Schröder (Mitglied der Geschichtswerkstatt) und gespendet vom Herforder Geschichtssponsor Heinrich Wemhöner, ein Gedenkstein aufgestellt werden, der an diese Legende erinnert.
Die Inschrift stammt von der Firma Henke, Naturstein und die Figur des „Heiligen Lebuin“ meißelte der Bauforscher und Künstler Mathias Polster in den aus der Gegend von Elverdissen stammenden Granitfindling.
Transportkosten entstanden nur von Elverdissen bis hier her, denn der Findling ist damals während der Eiszeit aus Skandinavien kostenlos zum Fundort gelangt. So hat die Legende von der Errettung des Lebuin einen würdigen Platz.
Bild: 24.11.2006 – Neben dem noch blühenden Rosenstock: Frisch gepflanzt … Gegenüber dem ersten Bild auf dieser Seite (etwa gleiche Blickrichtung, nur etwas weiter entfernt vom Standort der alten Buche) ist neben dem Eggeberg ein Windrad hinzugekommen.
Am 27. Juli 2006 fiel die 1934 gepflanzte Buche einem Gewittersturm zum Opfer. Anfällig war sie ohnehin nach einem vor vielen Jahren an ihrem Stamm gelegten Feuer, von dem sie sich wohl nie so richtig erholt hatte. Am 22. November 2006 wurde auf Privatinitiative hin ein neuer Baum gepflanzt. Sechs Meter ragt der etwa Fünfzehnjährige in die Höhe und der Sponsor hofft, dass er mindestens fünf Jahrhunderte wächst und gedeiht.