(Auszug aus: E09 – Bier aus Vlotho)
Ein weiteres Kapitel im Buch heimischer Privatbrauereien wurde 1987 geschlossen: Mit der Aufgabe der Niederlage der Weissenburg-Brauerei fanden nahezu 150 Jahre „Vlothoer Biergeschichte“ ihr Ende.
Richtig begonnen hatte es in der Weserstraße erst 1854. In diesem Jahre floss unter der Regie der Familie Brandt in deren ehemaliger Zuckerfabrik der goldgelbe Gerstensaft in bescheidenem Umfange. Mit einem Jahresausstoß von ungefähr 100 hl stand die Minibrauerei aber eher unter dem Zeichen der Bedeutungslosigkeit. Es gab drei Brauereien in Vlotho damals.
Bild: Lithografie etwa von 1850. Links die brandtsche Fabrik, in der Mitte der Amtshausberg mit der Burg. Dieses Bild zeigt den Einblick nach Vlotho mit der Weser stromabwärts.
1871 erwarb der aus dem Sauerland stammende Tabakfabrikant Robert Volbracht die Brauerei aus dem brandtschen Konkurs. Am 14. Juni 1872 wurde der Betrieb durch ein Feuer stark beschädigt. Kurzfristig wurde neu aufgebaut und modernisiert, beschäftigt waren u. a. zehn Arbeiter, unter Dampf stand ein Kessel.
Bild: „Tag des offenen Denkmals 1994“ – Mehr als hundert Besucher nutzten die Gelegenheit, die ehemaligen Bierkeller zu erkunden
Große räumliche Möglichkeiten zu einer Erweiterung hatte es nahe Straße und Weser nicht gegeben, so waren schon von den Brandts Teile der Brauerei in den Berg gelegt worden. Volbracht erweiterte diese Anlage erheblich. Die zwischen Straße und Weser verlaufende Eisenbahntrasse kam erst 1875 hinzu.
Hauptsächlich dienten die Keller mit ihren gleichbleibenden niedrigen Temperaturen Lager- und Reifezwecken; auch die Braugerste ließ man hier vorkeimen und das im Winter eingelagerte Eis reichte bis weit in den Sommer hinein.
Seinerzeit erhielten die Wirtschaften und Gasthäuser ihr Bier in Fässern – die Lieferung von Eis für die Kühlung war vertraglich vereinbart. Flaschenbier war kaum verbreitet und mancher heimische Zecher holte sein Getränk in großen Krügen aus dem Wirtshaus bzw. ließ es holen.
Bild: Diesen Anblick bot die Brauerei über Jahrzehnte hinweg: Die Gebäude v. l. n. r. in der vorderen Reihe: Remise und Pferdeställe, Flaschenhaus (dahinter das verdeckte Arbeiterhaus), Treber-Trockenhaus Maschinenhaus (mit Schornstein), Hauptgebäude. Über Flaschen- und Trockenhaus befindet sich das Maschinenhaus für den Kellerbereich. Hier wurde Eis produziert, das Gebäude selbst steht noch. Im Vordergrund die Weser vor der Bahntrasse (stromabwärts nach rechts), direkt dahinter verläuft die Weserstraße (die heutige B 514).
Aus vier große Brunnen und einer Quelle lieferte Arnold Döhr vom Winterberg erstklassiges Wasser für die Produktion. 1894 nutzte die Brauerei den ersten Elektromotor in Vlotho überhaupt. Eis wurde zum Teil nun maschinell erzeugt, ein Dynamo sorgte für Beleuchtung und Kraftstrom. 1913 löste das neu gegründete Elektrizitätswerk Minden Ravensberg (EMR) das dampfbetriebene eigene E-Werk ebenso wie zwei weitere in Vlotho ab. Wird für 1894 die Nutzung einer Dampfmaschine vermeldet, so wurde 1898 die zweite in Betrieb genommen. Die Brauerei hatte einen bedeutenden Aufschwung genommen und beschäftigte in diesem Jahre 24 Arbeiter und 3 Jugendliche (14- bis 16jährige).
Die Kundschaft erhielt ihr Bier ausschließlich in Holzfässern mit Gespannen, die durch teilweise widrige Wegeverhältnisse oft Tage unterwegs waren. Niederlagen wurden u. a. in Lübbecke, Bückeburg, Hameln und Hessisch Oldendorf betrieben. Schließlich wurde sogar ein, wenn auch gebrauchter, geschlossener Waggon von der Deutschen Reichsbahn gekauft und in deren Betrieb eingestellt. Die Weissenburg-Brauerei übernahm 1954 die Immobilien der Volbracht. Die Produktion wurde eingestellt, der Betrieb mit seinen Kellergewölben in eine Niederlage mit nurmehr Verteilerfunktion umgewandelt. 1958 wurde der Eintrag zur Brauerei Volbracht endgültig im Handelsregister gelöscht.
Als 1987 die Niederlage aus Kostengründen geschlossen wurde, brachte die Lokalpresse die Worte eines der letzten Mitarbeiters (des damals 74jährige Erich Hüllhorst, der noch bei Volbracht beschäftigt gewesen war)über längst vergangene Zeiten: „Das Bier schmeckte ausgesprochen gut und süffig, vor allem … aus den Holzfässern, die wir selber herstellten. … von außen sah man nur ein Drittel, der Rest … in riesigen Kellern im Felsen hinter der Brauerei … Von der Kühlung über die Fässerherstellung bis zum Brauen (im Berg) machten wir alles selbst …“ Die Brauerei war zu ihrer Zeit ein wichtiges Industrieunternehmen in der Weserstadt Vlotho. In den Wählerlisten des 19. Jahrhunderts zählte die Familie Volbracht immer zu den ersten sechs, die die höchsten Steuern bezahlten. 1927 wurde dem Unternehmen neben wenigen anderen nachträglich die Führung des Stadtwappens im Firmenzeichen gestattet.
Die in den Fels getriebenen Gewölbe boten im II. Weltkrieg als Luftschutzkeller sicheren Schutz. Kurz vor Ende des Krieges und dem Einmarsch der Amerikaner auch in Vlotho wurden „u. a. große Mengen Butterschmalz ohne Marken verkauft.“ weiß Grete Riepe aus Exter zu berichten. Die konstant niedrigen Temperaturen der unterirdischen Hallen machten sie zum idealen Lager für leicht verderbliche Ware.
Bild: Es wurde 1995 aufgenommen. Das Gebäude links im Vordergrund befindet sich etwa dort, wo früher die Remise stand. Rechts daneben oberhalb der Imbissbude, am Hang des Winterberges, das alte Maschinenhaus für die unterirdischen Keller. Der Amtshausberg verbirgt sich hinter den belaubten Bäumen kurz oberhalb des Bildmittelpunktes. Rechts im Bild die Eisenbahntrasse.
Noch vorhandene Gebäude werden heute gewerblich genutzt. Die verschlossenen Kellerräume sind der Öffentlichkeit nicht mehr zugänglich. Von der B514 aus ist das Mauerwerk noch zu sehen. Verschiedentlich haben neugierige Zeitgenossen ein Geheimnis in den Gewölben teilweise mit Hammer und Meißel zu ergründen gesucht. Außer einem äußerst interessanten Stück Zeitgeschichte dürften sie jedoch nichts gefunden haben.