(aus: G03 – Geschichte der Posaunenchöre in Ravensberg)
Der Beginn des heute noch bestehenden Posaunenchores geht in den Herbst des Jahres 1886 zurück. In früheren Jahren hat es allerdings nicht nur schon einmal von 1864 bis 1868 einen Jünglingsverein gegeben, sondern von 1880 bis 1881 auch einen Posaunenchor, wenn man den Kreissynodalprotokollen Glauben schenken darf. Insbesondere über die Gründungsgeschichte dieses Posaunenchors ist aber nichts bekannt.
Im Herbst 1886 jedoch kommt ein junger Mann namens Martin Plöger nach Exter. Er war Lehrer und der Sohn des Lehrers Plöger aus Wüsten-Bergkirchen in Lippe, der dort in den Jahren 1849/1850 vier Vereine gegründet hatte, darunter einen Jünglingsverein und einen Posaunenchor.
Bild: Theodor Brünger (1874 – 1951) als Student. Er leitete später den Wittekindshof, eine bedeutende Behinderteneinrichtung im benachbarten Bad Oeynhausen
Bei seinem Vater und in diesem Posaunenchor hatte Martin Plöger das Spielen von Blechblasinstrumenten erlernt. Der damalige Pfarrer Wilhelm Brünger bat Martin Plöger darum, seinem zwölfjährigen Sohn Theodor das Blasen beizubringen. Als dieses in der Gemeinde bekannt wurde, hatten auch andere Jungen und junge Männer den Wunsch, ein Musikinstrument zu erlernen, woraufhin Plöger allen Interessenten Unterricht erteilte. Das Interesse an Unterricht stieg von fünf auf zehn Personen. Die Instrumente wurden zunächst aus Bergkirchen geliehen. Aber schon ein halbes Jahr später konnten mittels Spenden aus der Gemeinde über Pastor Johannes Kuhlo in Hüllhorst neue Instrumente bestellt werden, die am vierten Sonntag nach Trinitatis 1887 (3. Juli) in der Kirche zu Exter auf dem Altar geweiht und anschließend von Plöger an die Bläser verteilt wurden, „worauf dann der Chor zum erstenmal den Gesang der Gemeinde begleitete.“
Bild: Heinrich Göhner, langjähriger Vereinsleiter (1872 – 1957). Die Familie Göhner stellte viele der Leiter, die großen Einfluss in der christlichen Vereinarbeit in Exter hatten
1889 musste ein neuer Posaunenchorleiter gesucht werden, weil Martin Plöger nach Herford zog. Kantor Heuermann, Lehrer Ridder und Lehrer Schachtsiek leiteten daraufhin nacheinander den Chor bis Weihnachten 1893. Anschließend geriet er in eine Struktur- und Leitungskrise und drohte aufgelöst zu werden.
Theodor Brünger, seit 1894 Student der Theologie, gab ihm durch die Einbindung in den Westdeutschen Jünglingsbund und dessen Glaubensprinzipien neuen ideologischen Halt und motivierte die Bläser wirkungsvoll durch sein eigenes Engagement, für den Chor in jeder ihm zur Verfügung stehenden freien Zeit da zu sein.
Die religiös-ideologische Einbindung stellte im Grunde eine Art Konfessionalisierung dar, wobei die Musik der Religion wieder untergeordnet werden sollte. Das mag in den ersten Jahren auch gelungen sein; jedoch sind sowohl 1897 als auch 1922 eindeutige Säkularisierungstendenzen zu beobachten.
Bild: (um 1980) Geburtstagsständchen im Garten des damaligen Pastors von Exter, Ulrich Holtkamp
Im jährlichen Vereinsbericht von 1897 an den Westdeutschen Jünglingsbund Barmen heißt es: „Die ländlichen Verhältnisse bringen es mit sich, dass die Versammlungen nicht so häufig und regelmäßig stattfinden können wie in städtischen Vereinen. Die Formen des Vereinslebens sind ziemlich locker, wie es … nicht anders möglich ist. Trotzdem ist der Verkehr der Brüder untereinander ziemlich rege … das Einverständnis ein gutes. Das Turnen wird nur inoffiziell … gelegentlich im Sommer, doch darum um so lieber betrieben.“
1922 heißt es in dem entsprechenden Bericht: „Wir erwarten vom Bunde, dass er im Gegensatz zu vielfach sich geltendmachender Veräußerlichung und Zersplitterung des ‚Betriebes‘ im Vereinsleben mehr auf Verinnerlichung und Vertiefung dringt. Inbezug auf die Posaunenchöre wünschen wir, dass der Bund die Weise unserer Ravensberger Väter pflegen möge (mehr kirchliche, weniger Militärmusik).“
Bild: (2000) Ein Weihnachtsmarkt mit dörflichem Gepräge wäre ohne ihn nur eine halbe Sache. Hier leistet der Posaunenchor unter der Leitung von Heinz Niedernolte (+) seinen Beitrag zur festlichen Stimmung .
Neben Zeiten der Säkularisierung hat es natürlich auch immer wieder Zeiten der Konfessionalisierung gegeben, wie es exemplarisch zur Zeit des Nationalsozialismus geschah, als der nationalsozialistische Herrschaftsapparat sich anschickte, auch über den kirchlichen Verwaltungsapparat und die Pfarrer bestimmen zu wollen sowie in die Glaubensüberzeugungen der Menschen einzugreifen.