Text: Lars Schulz (1997)
Illustrationen: Geschichtswerkstatt Exter
Was haben eigentlich die Friedenskirche in Stralsund, die Pankratiuskirche in Gießen, die Auferstehungskirche in Pforzheim und die Kreuzkirche in Wehrendorf gemeinsam? Eine ganze Menge, denn allesamt entwarf und baute sie Otto Bartning (1883-1959) als Notkirche. Ihre „Erstaufstellung“ erlebt die heutige Kreuzkirche 1951 in Bad Oeynhausen. 1969 wird die Kirche nach Wehrendorf geholt und am ersten Advent des Jahres eingeweiht.
Der damalige Pfarrer der Gemeinde, Kurt Kükenshöner ist sich sicher: „Für die Wehrendorfer ist die Kirche sehr wertvoll“. Sie ist zweckgebunden und einfach, aber dennoch ihrer Funktion angemessen. So war auch das Konzept für die Notkirchen, die bereits während des Krieges geplant wurden und dann nach Kriegsende vom Baumeister Otto Bartning realisiert wurden, der als der bedeutendste protestantische deutsche Kirchenarchitekt des 20. Jahrhunderts gilt.
Blicken wir zurück: Damals fehlt es an allem, an Baumaterial ebenso wie an Kirchen. „So musste Stein hier unverputzter Stein, Holz gewachsenes Holz und Stahl unverkleideter Stahl sein“, sagt es Otto Bartning treffend in seiner Ansprache bei der Einweihung der ersten seiner 43 Notkirchen (die übrigens auch in der ehemaligen DDR aufgestellt wurden).
Bild: (2008) Kreuzkirche Wehrendorf
Die Kombination von Auslands- und Selbsthilfe ist ein wichtiges Merkmal bei der Verwirklichung des Werkes von Otto Bartning. Für jeden genehmigten Notkirchen-Bau gibt es eine Materialspende (statistisches Gerüst aus seriell gefertigten, genormten Bauteilen, Fenstern und Türen) sowie einer Spende in Höhe von 10.000 Dollar aus dem Ausland. Wer diese Spenden erhalten will, der muss gewisse Bedingungen erfüllen, einen Bauplatz nachweisen und für das Fundament sorgen.
Ist dies alles geschehen, werden die Holzteile geliefert und innerhalb von ein bis drei Wochen montiert. Wenn in Eigenarbeit auch noch das Außenmauerwerk (meistens aus dem örtliche Trümmersteinen oder andern vorhandenem Material gefertigt) errichtet war, steht der Einweihung einer Notkirche nichts mehr im Weg. Das dauert im Schnitt ein Jahr, was äußerst schnell ist, bedenkt man, dass früher mehrere hundert Jahre an manchen Kirchen gebaut wurde, ohne jemals in ihrer geplanten Fassung fertig zu werden.
Bild: (2008) Die Auferstehungskirche Bad Oeynhausen, Nachfolger der Notkirche
Da im Krieg die Kirche Bad Oeynhausens abgebrannt wird, wird auch hier eine Notkirche gebaut. Als das neue Glaubenshaus in der Badestadt entsteht, wird die Notkirche noch einmal ihrem Namen gerecht, sie hilft dort wo Not herrscht. Wehrendorf braucht eine Kirche, und die kommt 1969. Die Kreuzkirche wird somit die letzte Notkirche, die in einer Gemeinde aufgebaut wird. Es herrscht eine angenehme Atmosphäre in der Kreuzkirche und so wächst sie den Wehrendorfern immer mehr ans Herz.
„Unsere Notkirche hat sehr viele Vorteile“, betont Kurt Kükenshöner. So bietet sie zum Beispiel einen großen, hellen Altarraum, in dem bei Konzerten bis zu 200 Musiker Platz finden. Auch für die Musiker und Chöre auf der Empore ist viel Platz und der Innenraum bietet Bänke für ungefähr 200 Personen. „Nach hinten können wir noch Stühle dazustellen und mit der Empore zusammen gibt es dann 450 Sitzplätze in dem Gebäude“, erläutert der Gemeindepfarrer. Die Heizungsanlage sei gut und von überall aus haben die Gottesdienstbesucher einen Augenkontakt zum Pfarrer. „Die Kirche ist halt gut durchdacht!“