Die Schenkungsurkunde von 1258

(aus: 750 Jahre Kirche in Valdorf)
Text: Christoph Beyer, Valdorf
Transkription und Übersetzung der Urkunde: Hartmut Beyer, Münster

Die Schenkungsurkunde von 1258
Das älteste Dokument zur Valdorfer Kirche

Die älteste schriftliche Quelle, in der die Valdorfer Kirche erwähnt wird, ist die Gründungsurkunde zum Kloster Segenstal in Vlotho im Jahre 1258. Es gab zwei Abschriften in mittelalterlichen Abschriftenbüchern. Das ältere der Bücher wurde im Zweiten Weltkrieg vernichtet, das jüngere liegt noch heute im Archiv des Klosters Loccum.

Der lateinische Text der Urkunde:

Vallis Benedictionis ./. Vlotho

Vallis Benedictionis ./. VlothoEgo Henricus Comes in Oldenborch, Elizabeth Comitissa, Omnibus hanc literam intuentibus, salutem in Vero salutari . Quoniam ea quae geruntur, si scriptis non fuerint commendata, ex facili ab hominum memoria labuntur, ideo siquidem ea quae fecimus, huic pagine dignum duximus intitularier Notum sit igitur vniuersis, quod nos diuina inspirante gratia communicato consilio, locum quendam qui dicebatur antiquum Castrum in Vlotowe, cui nomen inditum est Vallis benedictionis, Abbatisse Helewigi, et suis consororibus, Cisterciensis Ordinis, in nomine Domini nostri Jhesu Christi crucifixi, ad honorem beate Virginis Marie, et gloriose Anne, eiusdem Virginis genetricis, libere contulimus possidendum, ita vt praedicte Domine et earum posteritas perpetuo inibi Domino famularentur . Preterea vt a nobis aliqua sustentatione gauderent, Ecclesiam in Valendorpe, cum omnibus suis attinentijs, Molendinum quod vicinius adiacet Claustro, Curiam Helmeyxburg, agros qui dicuntur Coppele, terram quandam quae dicitur Brok, de ponte vsque ad locum qui dicitur Stowe, Mansum quendam in antiqua indagine, qui dicitur Hukeshole, Holthusen in nemore quod vocatur Diule . jn Wirra liberam piscaturam, ita vt contente essent duobus piscatoribus, libere contulimus in nostrorum peccaminum remissionem. Vt autem hec donatio rata permaneat et inconuulsa, presentem paginam Sigilli nostri appensione fecimus communiri, et ad maiorem firmitatem obtinendam, testes subscripti adnotantur . Canonici Wildehusenses, Decanus Nicolaus Magnus, Joseph scolasticus, Lodewicus, Jsfridus prior de Lucka, Henricus prepositus de Leden. Henricus Buddodaici [lies : Buddo laici] . Johannes Gallicus, Johannes de Gandersem, Rotherus, Ludolfus judex in Civitate Vlotowe . Dethardus officialis, et alij quam plures . Hec Acta sunt Anno Domini Mo. CCo. Lviijo . xvijo Kalendas Aprilis

Die Schenkungsurkunde in der deutschen Übersetzung:

Segenstal – Vlotho

„Ich, Heinrich, Graf von Oldenburg, und Gräfin Elisabeth wünsche allen, die dieses Schreiben sehen, Heil in dem wahrhaft Heilbringenden. Da das, was geschieht, leicht dem Gedächtnis der Menschen entschwindet, wenn es nicht der Schrift anvertraut wird, so haben wir das, was wir getan haben, für würdig gehalten, auf dieser Seite verzeichnet zu werden.
Segenstal - VlothoEs sei daher allen bekannt, dass wir auf Eingebung der göttlichen Gnade nach gemeinsam abgehaltener Beratung einen gewissen Ort, genannt die „Alte Burg“ in Vlotho, die den Namen „Segenstal“ trägt, der Äbtissin Heilwig und Ihren Mitschwestern vom Zisterzienserorden im Namen unseres gekreuzigten Herrn Jesus Christus, zu Ehren der seligen Jungfrau Maria und der ruhmreichen Anna, der Mutter derselben Jungfrau, aus freien Stücken als Besitz übertragen haben, so dass die genannten Nonnen und ihre Nachfolgerinnen für immer dort dem Herrn dienen sollen. Außerdem, damit sie von uns eine Unterstützung für ihren Lebensunterhalt bekommen, haben wir ihnen aus freien Stücken zur Vergebung unserer Sünden übertragen: Die Kirche in Valdorf mit allem, was zu ihr gehört, die Mühle, die unmittelbar beim Kloster liegt, den Hof Helmesburg, die Äcker, die „Koppel“ genannt werden, ein bestimmtes Stück Land, „Brook“ genannt, von der Brücke bis zu dem Ort, der „Stau“ genannt wird, einen Hof in dem alten Hagen, der „Hukeshole“ genannt wird, Holthusen in dem Wald Duhla, die freie Fischerei in der Weser, jedoch so, dass sie sich mit zwei Fischern begnügen könnten.
Damit aber diese Schenkung gültig und unangetastet bleibe, haben wir die vorliegende Urkunde durch die Anhängung unseres Siegels befestigen lassen, und zur größeren Sicherheit wurden die unten genannten Zeugen hinzugeschrieben: Kanoniker von Wildeshausen: der Dekan[,] Nicolaus Magnus, der Scholaster Joseph, Ludwig, Isfridus, der Prior von Loccum, Heinrich, der Propst von Leyden, Heinrich Buddo.
Laien: Johannes Gallicus, Johannes von Gandersheim, Rotherus, Ludolfus, der Richter in der Stadt Vlotho, der Offizial Dethardus und sehr viele andere.
Dieses wurde durchgeführt im Jahre des Herrn 1258, am 17. Tag vor den Kalenden des April [16. März]“

Die Urkunde hält eine großzügige Schenkung fest: Graf Heinrich von Oldenburg verschenkt „die Kirche in Valdorf mit allem, was zu ihr gehört“, dazu „die Mühle, die unmittelbar beim Kloster liegt“, einige Höfe, Äcker, Land und Wald und „die freie Fischerei in der Weser, jedoch so, dass sie sich mit zwei Fischern begnügen könnten“.

Diese Schenkung war die Grundlage für eine Klostergründung an der Weser, die ein Jahr später erfolgte: Im Jahr 1259 erkannte Papst Alexander IV. das Kloster Segenstal in Vlotho an. Im Kloster Segenstal lebten Nonnen nach den Regeln der Zisterzienser. Zu der Schenkung des Grafen Heinrich kamen in den folgenden Jahren weitere Grundstücke dazu, der Grundbesitz blieb im Vergleich zu anderen Klöstern aber gering. Das Kloster Segenstal blieb arm und wurde 1430 von den Zisterziensermönchen aus Loccum übernommen.

Das Kloster und die dort gebaute Klosterkirche waren den Nonnen (und ab 1430 den Mönchen) vorbehalten, die Kirche der entstehenden Stadt Vlotho war weiterhin die Kirche in Valdorf. Die Gottesdienste hielten bis zur Reformation die Mönche aus Vlotho.

Segenstal - Vlotho Segenstal - Vlotho

Die Urkunde belegt sicher, dass im Jahre 1258 in Valdorf bereits eine Kirche stand. Unterstützt werden die Angaben durch die heute noch vorhandenen romanischen Baureste in der Nordwand des Kirchenschiffes. Steinmetzzeichen im nördlichen Seitenflügel (im Volksmund „Backofen“ nach dem früheren Aussehen genannt) lassen darauf schließen, dass in den Jahren 1250-1270 rege Bautätigkeit an der Kirche stattfand, die offenbar im Zusammenhang mit dieser Schenkung steht. Es kann heute allerdings nicht sicher gesagt werden, ob Graf Heinrich von Oldenburg die alte romanische Kirche selbst erweiterte und sie dann verschenkte – oder ob der Umbau erst durch das neu gegründete Kloster Segenstal erfolgte. Bedenkt man die schwache Wirtschaftskraft des Klosters (das immerhin 36 Jahre für den Bau der eigenen Klosterkirche brauchte), dann erscheint es wahrscheinlich, dass der Umbau mit Unterstützung durch Graf Heinrich von Oldenburg erfolgte.

Die Urkunde gibt auch einen Einblick in die Herrschaftsverhältnisse vor 750 Jahren: Sie hält fest, dass die Kirche von Valdorf dem Landesherrn der Herrschaft Vlotho, damals Graf Heinrich von Oldenburg, unterstand. Vorher hatten die Herren von Vlotho das Gebiet des späteren Amtes Vlotho beherrscht. Von diesen sind nur wenige Nachrichten aus der Zeit von 1180 bis 1211 überliefert.

Texte zu den Illustrationen

Bild 1: Die Abschrift der Gründungsurkunde im Kloster Loccum
Bild 2: Rekonstruktionsversuch der Valdorfer Kirche um 1500 von Mitautor Mathias Polster, Restaurator
Bild 3: Zeitgenössische Zeichnung der Valdorfer Kirche von 1874
Bild 4: Die Valdorfer Kirche im Jahr 2006, kurz vor der in 2007 abgeschlossenen Renovierung