(aus: L13 – Spurensuche 13 – Über den Uffelner Buhn // P06 – Langer Abschied von der Weser – Brückenbau 1928 // O04 – Der Weg über den Strom) Texte: Wilfried Sieber
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Auch wenn Uffeln erst seit 1973 Teil der Stadt Vlotho ist, gab es schon vorher viele wechselseitige Verbindungen. Lange Zeit war die über Generationen von den Familien Bellmann und Volbracht betriebene Weserfähre kürzester legaler Weg über den Strom.
Heinrich Harland merkt in seiner 1888 erschienenen „Geschichte der Herrschaft und Stadt Vlotho“ an, dass schon im Jahr 1336 Fährbetrieb urkundlich erwähnt wird. In den Akten der Ravensberger Landesverwaltung weisen im 16. Jh. Flurnamen auf einen Fährbetrieb für Menschen, Tiere und Handelsgut hin. 1784 wurde der Zeitpachtvertrag des Schiffers Jobst Henrich Bellmann in einen Erbpachtvertrag umgewandelt. 1875 ging die Fährgerechtigkeit durch Heirat mit dessen Nachfahrin Friederike Bellmann auf den Kaufmann und Brauereigründer Robert Volbracht über.
Bild: (o. J.) Standort Hafen Vlotho mit Blick nach Uffeln – Partie an der Weser mit Weserfähre und Raddampfer „Minden“
Nachdem spätestens Ende des 19. Jahrhunderts abzusehen war, dass die Fähre den Anforderungen auf Dauer nicht gewachsen sein würde, ist das Jahr 1924 heute als Wendepunkt in ihrer Geschichte anzusehen. Im Juli war eine Stadtverordnetenversammlung dem Vlothoer Anzeiger eine ganze Seite Berichterstattung wert, mit nur einem Tagesordnungspunkt: Dem Brückenschlag über die Weser. Erste ernsthafte Diskussionen hatte es schon im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts gegeben. Nun war es so weit: Vlotho und Uffeln näherten sich endlich einer verkehrstechnischen Lösung mit Bestand.
Zu diesem Zeitpunkt lebte Robert Volbracht nicht mehr, die Fährgerechtigkeit war auf seine neun Kinder übergegangen. Die in Vlotho gebliebenen Brüder Robert jr. und Gustav Volbracht hatten die vom Vater übergegebene Brauerei durch schlechte Kriegs- und Nachkriegszeiten leiten können. Das Erbe der Geschwister war durch die Inflation aufgezehrt. Nur aus dem Fährbetrieb gab es noch laufende Einnahmen.
Bild: Abschnitt einer für 1927 gigantischen Baustelle: Der Brückenkopf auf Vlothoer Seite; im Bild ist etwa ein Fünftel der ganzen Brückenlänge zu sehen.
Verhindern ließ sich der Brückenbau nicht, das war allen klar. Aber im Vertrag von 1783 war festgelegt, dass der Staat den Inhaber der Fährgerechtigkeit vor Beeinträchtigungen zu schützen habe. Die in Brandenburg an der Havel lebende Charlotte Volbracht, verwitwete Neuhaus, übernahm es, den Vertrag beim Wort zu nehmen und auf dem Klageweg den Staat um Schadensersatz anzugehen. Der Prozess zog sich bis März 1930 hin: Der Brückenbau wurde in der Urteilsbegründung „mit Rücksicht auf den heutigen großen Verkehr als „unvermeidliche Notwendigkeit“ angesehen“, man entziehe damit der Fähre die Betriebserlaubnis nicht, die Klage wurde abgewiesen.
Weil auch die Benutzung der Brücke bezahlt werden musste, pendelte die Fähre erst einmal weiter zwischen Uffeln und Vlotho über die Weser. Freilich mit derart geringen Einnahmen, dass der Betrieb letztlich im Februar 1937 nicht fortgeführt wurde, als der noch verbliebene Personenprahm hätte repariert werden müssen.
Acht Jahre später, am 3. April 1945 geschah das, was zahlreiche Angriffe alliierter Bomberpiloten nicht geschafft hatten: Gegen 17.00 Uhr sprengten im Rahmen der „Aktion Werwolf“ Pioniere der Deutschen Wehrmacht die Verbindung zwischen Uffeln und Vlotho.
Bild: Die Fähre über die Weser verbindet Vlotho und Uffeln wieder miteinander, wenn auch in bescheidenem Maße. Standort des Fotografen ist die Vlothoer Seite, dort, wo die abgeladenen Baumstämme im Vordergrund liegen. Der Blick geht auf das jenseitige Ufer, zur Gemeinde Uffeln. Zum Bild (zum Vergrößern draufklicken) eine Frage: Wohin bewegt sich der Fähr-Prahm? Und woran kann man die Richtung erkennen? Wer es zu wissen meint, sendet eine e-Mail und bekommt bei richtiger Antwort online eine kleine Aufmerksamkeit.
Volbrachts nutzten die Chance und bereiteten spätestens Anfang Mai die Wiederaufnahme des Fährbetriebes vor. Die Uffelner Schiffswerft Büsching & Rosemeyer übernahm für etwa 13.000 Reichsmark den Bau von jeweils einem Wagen- und Personenprahm für Niedrigseilbetrieb.
Den allmählich wieder tätig werdenden deutschen Behörden wurde im Juni 1945 die Aufnahme eines provisorischen Personen-Fährbetriebes mit einem notdürftig reparierten Kahn angezeigt, der auf dem Gelände der Werft Büsching & Rosemeyer gelegen hatte. Gustav Volbracht verwies auf die auf dem Inhaber der Vlothoer Fährgerechtigkeit ruhende Verpflichtung und hoffte auf vollwertigen Betrieb mit Wagenverkehr ab Mitte Juli, spätestens Mitte August.
Nachdem auch die Besatzungsmacht zugestimmt hatte, bestand ab dem 15. Juli zwischen Uffeln und Vlotho wieder eine direkte, offizielle Verkehrsverbindung. Im September 1945 erging die Auflage, das Unternehmen der zu erwartenden Schifffahrt wegen künftig als Hochseilfähre zu betreiben.
Bild: Noch heute (2005) ist auf Uffelner Seite der Mast für das Hochseil zu sehen, wenn auch gut versteckt im Laub eines Baumes
Ab Mai 1946 war die uneingeschränkte Schifffahrt auf der Weser wieder erlaubt. Die Vlothoer Fähre musste den Betrieb stilllegen; ein allgemeines Bauverbot hatte die auferlegte Umrüstung in eine Hochseilfähre bisher verhindert, es gab auch Probleme bei der Beschaffung von Baumaterial. Das Wasserstraßenamt stellte eine Sondergenehmigung für den Betrieb einer Personen-Grundseilfähre in Aussicht. Überraschend schnell konnte dann aber Ende Juni 1946 die von den Firmen Büsching & Rosemeyer, Uffeln (Fährmasten im beidseitigen Hochwassergebiet) und Gebr. Brinkmeyer, Vlotho (Fundamente) gemeinsam fertiggestellte Hochseilanlage in Betrieb genommen werden.
Bedarf hatte in der Tat bestanden. Bei einer Verkehrszählung in der Übergangswoche August auf September 1945 ermittelte das Wasserstraßenamt Minden an durchschnittlichen Benutzerzahlen: 1.039 Erwachsene, 109 Kinder von vier bis zehn 10 Jahren, 36 Stück Großvieh, 78 eisenbereifte Fahrzeuge einschl. Handwagen, 23 gummibereifte Lastkraftwagen, 19 Personenkraftwagen, 9 Krafträder, 433 (!) Fahrräder sowie 170 Personen mit Monats- bzw. Wochenkarten. Das sei eine überdurchschnittlichen Nutzung und die Behörde ordnete an, die Fährtarife zu senken, die neuen galten ab dem 25. Oktober 1945.
Bild: Aus den wohl endgültig letzten Tagen einer Vlothoer Fähre: August Schatzberg kassiert
Ohne Bezahlung durften in amtlichen Angelegenheiten Bedienstete der Gemeinde Uffeln die Fähre benutzen, ein Privileg, das nach dem Erbpachtvertrag bisher nur der König und seine Familie genießen durften. Ausnahmen waren allerdings im Behördenverkehr auch schon immer gemacht worden.
An einem lukrativen Geschäft wollten auch andere teilhaben: Etwa 500 m stromabwärts betrieb ein Holländer eine Personenfähre. Gestattet war es ihm nach dem immer noch gültigen alten Fährvertrag nicht, der Ausschluss galt 5 km stromauf- und abwärts. Gustav Volbracht machte die Behörden aufmerksam mit dem Bemerken, dass er seine Steuern pünktlich zahle und bei mehr Umsatz beispielsweise auch mehr Umsatzsteuer anfiele. Allerdings stellte er einige Zeit später fest, dass der Betrieb einer öffentlichen Fähre von dieser Abgabe befreit war war und bekam das bisher gezahlte auf Antrag auch prompt erstattet. Die Angelegenheit erledigte sich von selbst, der Kontrahent verkaufte das Fahrzeug vor seiner bald darauf folgenden Rückkehr in sein Heimatland. Eine dauerhafte Nachfolge entwickelte sich nicht.
Für die Jahre 1946 – 1947 sind die Namen der Fährmitarbeiter bekannt: Wilhelm Diekmann, Heinrich Krückemeier, Karl Rosemeier und August Schatzberg sorgten bei Wind und Wetter für sichere Passage über die Weser. Die Namen Handirk und Kühme werden als Aushilfen in den Monaten Juli und August 1947 genannt.
Bild: (um 1940) Er war nicht nur einer der letzten Besitzer der Brauerei Volbracht bei vollem Betrieb, auch Anlaufstelle aller Geschwister beim Fährprozess und Organisator des Fährbetriebes nach dem Zweiten Weltkrieg: Gustav Volbracht (1871-1957)
Fast genau sechs Jahre nach der unseligen Zerstörung wurde am 31. März 1951 der Neubau der Straßenbrücke eingeweiht. Aber anders als vierzehn Jahre zuvor hatte die Vlothoer Fähre keine Chance; nun kam man kostenlos zu Fuß oder auf Rädern über die Weser. Ganz arbeitslos wurden Wagen- und Personenprahm nicht. Die Personenfähre wurde an die Ziegelei Schütte AG in Heisterholz/Weser verkauft und die Wagenfähre erwarb der Landkreis Grafschaft Schaumburg für den weiteren Betrieb in der Gemeinde Großenwieden, bis sie 1960 abgelöst wurde. Die beiden verbliebenen Fährleute übernahm die Brauerei Volbracht. Im behördlichen und sonstigen Schriftverkehr legte Gustav Volbracht übrigens auch weiterhin großen Wert darauf, die Fähre als „ruhend“ zu bezeichnen, denn: „Weiß man denn, was noch kommt?“